Entscheidungsstichwort (Thema)

Analoge Anwendung der Vermutungsregelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO bei der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 15 Abs. 4 KSchG ?. Betriebsstilllegung. Interessenausgleich. Namensliste. Betriebsratsmitglied. analoge Anwendung § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO

 

Leitsatz (redaktionell)

Auf die Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes nach § 15 Abs. 4 KSchG wegen Betriebsstilllegung ist die Vermutungsregelung des § 125 Abs. 1 InsO mit der Folge entsprechend anwendbar, dass das gekündigte Betriebsratsmitglied die gesetzlichen Vermutungen zu widerlegen hat.

 

Normenkette

InsO § 125 Abs. 1; KSchG § 15 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Urteil vom 04.11.2004; Aktenzeichen 1 Ca 312/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 04.11.2004 – 1 Ca 312/04 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund der ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 27.05.2004 mit Ablauf des 31.08.2004 geendet hat.

Der am 11.06.1953 geborene, verheiratete und drei Personen unterhaltsverpflichtete Kläger war bei der Schuldnerin seit 07.01.1986 als Abteilungsleiter/Meister der Abteilung B. in T. beschäftigt. Das monatliche Arbeitsentgelt des Klägers belief sich zuletzt auf EUR 3.770,00. Bei der Schuldnerin waren mehr als fünf Arbeitnehmer in Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt. Ein Betriebsrat war gebildet. Der Kläger war der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates.

Bei der Schuldnerin handelte es sich um die Fa. H. F. GmbH. Diese war ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von G., G. und G. befasste. Durch Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn wurde am 31.12.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Ferner wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am 27.01.2004 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan ab (im vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgelegt). Gegenstand des Interessenausgleichs war ein Personalabbau von 120 der bislang 180 Arbeitnehmer. Dem Interessenausgleich war als Anlage eine Namensliste im Sinne des § 125 Abs. 1 InsO beigefügt. Am 29.04.2004 vereinbarte der Beklagte mit dem Betriebsrat eine Ergänzung zum Interessenausgleich vom 27.01.2004 (im vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgelegt). Diese hatte die Kündigung von drei weiteren Arbeitnehmern wegen voranschreitender Abarbeitung der bestehenden Aufträge zum Gegenstand. Auch diesem Interessenausgleich war eine Namensliste im Sinne des § 125 Abs. 1 InsO beigefügt.

Am 27.05.2004 vereinbarte der Beklagte mit dem Betriebsrat einen weiteren Interessenausgleich und Sozialplan (Abl. 21 ff. und 56 ff.). In der Vorbemerkung des Interessenausgleichs hielten die Betriebsparteien fest, dass sich trotz intensiver Bemühungen der Insolvenzverwaltung keine Möglichkeit ergeben habe, das Unternehmen weiter fortzuführen. Daher habe der Insolvenzverwalter die Entscheidung zur endgültigen Betriebsstilllegung zum 30.06.2004 treffen müssen. Unter § 1 des Interessenausgleichs vereinbarten die Betriebsparteien als Gegenstand der Betriebsänderung, dass aufgrund der beschlossenen Betriebsstilllegung sämtlichen derzeit verbliebenen Arbeitnehmern die betriebsbedingte Kündigung auszusprechen sei. Auch diesem Interessenausgleich war eine Namensliste im Sinne des § 125 Abs. 1 InsO beigefügt. Der Kläger war in der Namensliste unter der laufenden Nummer 8 aufgeführt.

Mit Schreiben vom 20.05.2004 (Anlage B 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 30.08.2004), dem Betriebsrat zugegangen am 21.05.2004, unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger (sowie aller weiteren Arbeitnehmer). Ausweislich § 2.1 des Interessenausgleichs beschloss der Betriebsrat am 27.01.2004, zu den Anhörungen keine weiteren Stellungnahmen abzugeben. Das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG sei geschlossen.

Mit Schreiben von 27.05.2004, dem Kläger zugegangen am 28.05.2004, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.08.2004. Mit seiner am 18.06.2004 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Er hat vorgetragen, er bestreite, dass das Unternehmen stillgelegt sei. Nach seiner Kenntnis stehe der Beklagte mit einigen Firmen in Verhandlungen wegen einer Übernahme des Unternehmens. Der Beklagte habe außerdem einen Arbeitnehmer namens J. K. befristet bis 30.12.2004 eingestellt.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.05.2004 zum 31.08.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Kündigung vom 27.05.2004 sei wegen Betriebsstilllegung erfolgt. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin sei wie im Interessenausgleich vom 27.05.2004 niedergelegt zum 30.06.2004 stillgel...

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