Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsfrist. Gleichbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB verstößt gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung wie sie auch in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 niedergelegt sind.

2. Verstößt § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen das europarechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, ist diese Vorschrift bei der Berechnung der maßgeblichen Kündigungsfrist nicht anzuwenden

 

Normenkette

BGB § 622 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 08.02.2007; Aktenzeichen 2 Ca 16610/06)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2007 – 2 Ca 16610/06 – wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 21. August 2006 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Oktober 2006 fortbestanden hat.
  2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.476,78 EUR brutto (dreitausendvierhundertsechsundsiebzig 78/100) abzüglich 793,48 EUR netto (siebenhundertdreiundneunzig 48/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.783,39 EUR brutto abzüglich 793,43 EUR netto seit dem 01. September 2006 und aus weiteren 1.738,39 EUR brutto seit dem 01. Oktober 2006 zu zahlen.
  3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein auf Art und Dauer der Tätigkeit sowie auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecktes Zeugnis zu erteilen.
  4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Kläger 17 %, der Beklagte 83 %.

II. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung mit dem Vorwurf der Unterschlagung, über die sich bei deren Unwirksamkeit ergebende Dauer der Kündigungsfrist und über entsprechende Zahlungsansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug.

Die am … 1980 geborene Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Rechtsanwaltskanzlei und eine Hausverwaltung betreibt, auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 4. Mai 2001 (Bl. 5 ff.) seit dem 14. Mai 2001 als Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte und Sachbearbeiterin für Hausverwaltungsangelegenheiten beschäftigt.

Der Beklagte wirft der Klägerin vor, entgegengenommene Barbeträge einbehalten zu haben. Bei dem Beklagten besteht eine Kanzleikasse, in die eingehende Barbeträge einschließlich der dazu gehörenden Quittungen sowie die Auszahlungsbelege eingelegt werden. Diese Kasse war anhand der Belege zum Monatsende abzurechnen. Ob für die Abrechnung ausschließlich die Klägerin zuständig war, ist zwischen den Parteien streitig. Nach dem Kanzleihandbuch (Auszug Anlage B 16, Bl. 104 d. A.) sind Bareinzahlungen in die Kanzleikasse binnen 3 Tagen auf das zuständige Bankkonto einzuzahlen; Kautionen dürfen nicht mehr in bar oder per Überweisung, sondern ausschließlich durch Überreichen eines zu verpfändenden Sparbuchs erbracht werden.

Entgegen dieser Regelung, bei der streitig ist, ob sie der Klägerin bekannt war, nahm die Klägerin Kautionen in bar entgegen. So quittierte sie u. a. am 15. Dezember 2005 (Quittung Bl. 38 d. A), am 29. November 2005 (Quittung Bl. 43 d. A), am 12. Oktober 2005 (Quittung Bl. 44 d. A), am 27. Juni 2006 (Quittung Bl. 45 d. A.), am 23. März 2006 (Quittung Bl. 46 d. A.) und am 19. Mai 2005 (Quittung Bl. 47 d. A.) den Erhalt von Mietkautionen in unterschiedlicher Höhe. Weiterhin quittierte sie am 21. September 2005 den Erhalt von 80,00 EUR für Hausschlüssel (Bl. 41 d. A.), am 7. November 2005 (Quittung Bl. 40 d. A.) und am 20. Oktober 2005 (Quittung Bl. 42 d. A.) den Erhalt von verschiedenen Mietzahlungen. Ob die Klägerin diese Beträge ordnungsgemäß weiter gereicht und verbucht hat, ist zwischen den Parteien streitig. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte seinerseits Gelder von Hauskonten zur Begleichung eigener Schulden verwendete.

Nachdem der Beklagte in dem Schreibtisch der Klägerin verschiedene Quittungen vorgefunden hat, bei denen zwischen den Parteien streitig ist, um welche Quittungen es sich handelte, warf er der Klägerin in einem Gespräch am 21. August 2006 vor, diese quittierten Beträge nicht ordnungsgemäß abgeführt und verbucht zu haben. Im Verlauf des Gesprächs kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 21. August 2006 das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß „zum nächstzulässigen Termin”.

Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung und begehrt u. a. die Zahlung der Vergütung für August und September 2006.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe die vereinnahmten Gelder jeweils in die Kanzleikasse oder aber auf den Schreibtisch des Beklagten gelegt, wie es der ständigen Praxis im Büro des Beklagten entsprochen habe. Eine Weisung, dass Bareinzahlungen am selben Tag bzw. binnen 3 Tagen bei der Bank einzuzahlen gewesen seien, habe nicht bestanden. Entsprechend des Arbeitsanfalls seien die Quittungen in den Ordner bzw. das Büroverzeichnis gelegt worde...

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