Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhestandsverhältnis. Betriebliche Übung. Sonderzahlungen
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann auch bei Sonderzahlungen des Arbeitgebers an Betriebsrentner entstehen (im Anschluss an BAG, Urteil vom 23.04.1963, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation, sowie BAG, Urteil vom 30.10.1984, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung; offen gelassen in BAG, Urteil vom 16.04.1997, AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
Normenkette
BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 22.06.2001; Aktenzeichen 5 Ca 920/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 22.06.2001 – 5 Ca 920/01 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 127,82 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin als Betriebsrentnerin für das Jahr 2000 ein Weihnachtsgeld zusteht.
Die am 25.05.1932 geborene Klägerin war von 1957 bis 1993 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Rohstoffhandel GmbH, beschäftigt. Seit ihrem Ausscheiden bezieht die Klägerin eine Betriebsrente nach der Leistungsordnung „A” des Essener Verbandes. Diese betrug zuletzt 853,56 DM brutto. Im Betrieb der Rohstoffhandel GmbH hatte die Mehrzahl der Arbeitnehmer eine Betriebsrentenzusage nach einer „Pensionsordnung”, die in der Fassung vom 02.01.1990 pro Dienstjahr eine Rente von 5,– DM vorsah. Besser verdienende Arbeitnehmer wie die Klägerin hatten dagegen eine Zusage nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes.
Schon seit mehreren Jahrzehnten zahlte die Rohstoffhandel GmbH an alle Betriebsrentner, unabhängig von der Höhe der jeweiligen Versorgung, am Ende des Jahres einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 250,– DM brutto. In den Verdienstabrechnungen wurde der Betrag stets als Weihnachtsgeld bzw. Sonderzuwendung ausgewiesen. Ein besonderes Anschreiben oder eine Mitteilung an die Betriebsrentner erfolgte in diesem Zusammenhang nicht. Auch die Klägerin erhielt nach ihrem Ausscheiden jährlich diesen zusätzlichen Betrag.
Die Beklagte teilte der Klägerin dann im November 1999 in einem Schreiben Folgendes mit:
„..mit Wirkung vom 01.01.1999 sind die Rohstoffhandel GmbH und die T. K. Stahl AG verschmolzen worden. Die aktive Belegschaft der Rohstoffhandel GmbH ist in diesem Zusammenhang gemäß § 613 a BGB auf die T. K. Stahl AG übergegangen.
Zum gleichen Zeitpunkt sind auch Sie – als Pensionär bzw. Witwe eines Pensionäres der Rohstoffhandel GmbH – in den Werksrenten-Bestand der T. K. Stahl AG übernommen worden.
Bisher haben Sie im Dezember von der Rohstoffhandel GmbH freiwillig Weihnachtsgeld in Höhe von DM 250,– für Rentner bzw. DM 150,– für Witwen erhalten. Die Rentner der T. K. Stahl AG beziehen dieses Weihnachtsgeld bereits seit mehreren Jahren nicht mehr. Da wir Sie nicht besser stellen können als die übrigen Werksrentner müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir Ihnen diese Sonderzahlung aus Gründen der Gleichbehandlung nicht weiter gewähren können.
Dennoch möchten wir Ihnen das Weihnachtsgeld auf freiwilliger Basis im Dezember 1999 noch einmal zahlen. Ab dem Jahr 2000 wird die Sonderzahlung dann entfallen.
Wir bitten um Verständnis für diese Entscheidung und wünschen Ihnen und Ihrer Familie eine schönes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr…”
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung verpflichtet, an sie das Weihnachtsgeld von 250,– DM (= 127,82 EUR) brutto auch für das Jahr 2000 zu zahlen. Das Arbeitsgericht Duisburg hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Berufung, die form und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die zulässige Berufung ist begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat die Klägerin aufgrund betrieblicher Übung gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Rohstoffhandel GmbH einen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2000 in Höhe von 127,82 EUR brutto.
I. Die Klägerin kann sich auch als Betriebsrentnerin grundsätzlich auf eine betriebliche Übung als Anspruchsgrundlage stützen.
1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG, Urteil vom 12.01.1994, AP Nr. 43 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG, Urteil vom 06.09.1994, AP Nr. 45 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG, Urteil vom 28.02.1996, AP Nr. 192 zu § 611 BGB Gratifikation). Aus diesem als Willenserklärung zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das ...