Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 04.09.1997; Aktenzeichen 1 Ca 2224/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 04.09.1997 – 1 Ca 2224/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger wegen fristgerechter Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.03.1997 die Weihnachtsgratifikation 1996 zurückzahlen muß.
Der Kläger war seit dem 01.07.1995 bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Gehalt betrug im Jahre 1996 4.300,00 DM brutto. Mit dem Novembergehalt 1996 erhielt der Kläger eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 2.150,00 DM brutto. Auf seine Kündigung zum 31.03.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er müsse die Weihnachtsgratifikation 1996 in voller Höhe zurückzahlen. Dabei stützt sich die Beklagte auf § 6 des Anstellungsvertrages vom 19.05.1995. Dort heißt es:
„Scheidet der Angestellte nach Gewährung einer freiwilligen Weihnachtsgratifikation vor dem 31. März des Folgejahres durch Eigenkündigung oder verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung (fristgerecht und fristlos) aus dem Arbeitsverhältnis aus, so ist die Gratifikation in voller Höhe zurückzuzahlen.”
Der Kläger fordert den von seinem Märzgehalt abgezogenen Betrag von 2.150,00 DM brutto. Er hat einen entsprechenden Klageantrag gestellt, wobei sein weitergehendes Klagebegehren auf Zahlung anteiliger Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1997 durch rechtskräftige Klageabweisung in erster Instanz seine Erledigung gefunden hat.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe für März 1997 das volle Gehalt zu. Die Beklagte könne sich nicht auf § 6 des Anstellungsvertrages berufen. Er sei nicht vor dem 31.03.1997 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, sondern mit Ablauf des 31.03.1997.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, aufgrund seiner Eigenkündigung zum 31.03.1997 habe der Kläger gemäß § 6 des Anstellungsvertrages die Weihnachtsgratifikation 1996 zurückzuzahlen. Dies sei auch vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 25.03.1997 (16 Sa 1724/96 – NZA RR 1997, 457 f.) zu einer wortgleichen Rückzahlungsklausel entsprechend entschieden worden. Sie habe deshalb zu Recht den entsprechenden Betrag von den Märzbezügen in Abzug gebracht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten, gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen, ist unbegründet. Dem Kläger steht die Weihnachtsgratifikation 1996 zu.
Zwar bestehen grundsätzlich bezüglich einer Rückzahlungsklausel, wie sie die Parteien in § 6 des Anstellungsvertrages vom 19.05.1995 vereinbart haben, keine Wirksamkeitsbedenken. In der Verknüpfung mit der freiwilligen Gratifikationsleistung liegt ein dogmatisch selbständiges Strafversprechen, gegen das in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig keine Wirksamkeitsbedenken erhoben werden (vgl. BAG, st. Rspr., etwa Urteil vom 10.05.1962 – 5 AZR 452/61 – AP Nr. 22 und zuletzt etwa Urteil vom 09.06.1993 – 10 AZR 529/92 – AP Nrn. 22 und 150 zu § 611 BGB Gratifikation; Beckers, NZA 1997, 129, 137). Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt im Streitfalle ein die Rückzahlungspflicht auslösender Tatbestand jedoch nicht vor. Der Kläger ist infolge seiner Eigenkündigung mit Ablauf des 31.03.1997 ausgeschieden und nicht „vor” dem 31.03.1997. Deshalb ist er mit der streitigen Rückzahlungspflicht nicht belastet und die Beklagte gehalten, das Gehalt des Monats März 1997 an den Kläger voll auszuzahlen.
I.
Verträge sind gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben es erfordern.
1. Dabei ist zunächst vom Wortlaut der Vereinbarung auszugehen. Der Text des Anstellungsvertrages vom 19.05.1995 spricht in der fraglichen Klausel (§ 6 Abs. 4) eindeutig für das vom Arbeitsgericht im Anschluß an die Auffassung des Klägers gefundene Auslegungsergebnis. Wenn die Rückzahlungspflicht abgestellt wird auf ein Ausscheiden des Klägers „vor dem 31. März des Folgejahres”, sind nach dem Vertragstext keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb eine Kündigung zum 31. März des Jahres 1997 nicht ausreichen sollte, dem geforderten Bindungstatbestand zu genügen. Der Kläger durfte nach dem Wortlaut der Rückzahlungsklausel mit Ablauf des 31. März 1997 aufgrund der von ihm ausgesprochenen Kündigung ausscheiden, ohne eine Rückzahlungspflicht zu begründen.
Soweit die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf eine wortgleiche Rückzahlungsklausel anders ausgelegt hat (Urteil vom 25.03.1997 – 16 Sa 1724/96 – NZA – RR 1997, 457 ff.), ist gleichfalls davon ausgegangen worden, daß mit einer Rückzahlungsklausel, die auf ein Ausscheiden „vor dem 31. März des Folgejahres” abstellt, ein Bindungszeitraum bis zum 31. März des Folgejahres einhergeht. Aus der Rückzahlungsklausel folgt ein klar definierter Bindungszeitraum, der dem Arbeitnehmer eine entsprechende Betriebsbindung vorgibt, will er seine Gratifikation...