Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer Sozialplanabfindung gemäß § 123 InsO. Sozialplanabfindung. Rückzahlung. Verfallfristen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rückforderung einer Sozialplanabfindung gemäß § 123 InsO unterliegt den tariflichen Verfallfristen (hier schriftliche Geltendmachung innerhalb von drei Monaten).
2. Sozialplanansprüche sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und tarifliche Ausschlussfristen finden in der Insolvenz uneingeschränkt Anwendung.
Normenkette
BGB § 812; InsO § 123; MTV Einzelhandel Niedersachsen § 14
Verfahrensgang
ArbG Minden (Urteil vom 13.02.2007; Aktenzeichen 1 Ca 1332/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.02.2007 – 1 Ca 1332/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.911,50 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung einer Sozialplanabfindung in Anspruch.
Die Beklagte war seit dem 01.08.1999 als Verkäuferin bei der Firma M1 M2 GmbH tätig. Gemäß § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Niedersachsen in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Gemäß § 14 Nr. 2 des einschlägigen Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Niedersachsen sind gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten seit Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
Über das Vermögen der Firma M1 M2 GmbH wurde am 01.02.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Da der Betrieb stillgelegt werden musste, vereinbarte der Kläger mit dem Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin unter dem 10.02.2003 einen Sozialplan gemäß den §§ 112 BetrVG, 123 InsO, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 7 ff d.A. verwiesen wird. Danach betrug das Sozialplanvolumen unter Berücksichtigung der 2,5-fachen Lohn/Gehaltssumme 199.234,95 EUR. Die Abfindungsansprüche der Arbeitnehmer im Einzelnen errechnen sich nach einem Punktsystem. Danach steht der Beklagten eine Abfindung in Höhe von 891,00 EUR zu. Tatsächlich zahlte der Kläger ihr jedoch 3.802,50 EUR, d.h. 2.911,50 EUR zu viel aus, weil eine Mitarbeiterin seines Büros irrtümlich – wie auch bei allen anderen Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin – den in der letzten Spalte der handschriftlichen Aufstellungen ausgewiesenen Betrag des 2,5-fachen Gehalts als Abfindungsauszahlungsbetrag übernahm und die Anweisung dieses Betrages an die Beklagte veranlasste, der am 06.01.2006 auf dem Konto der Beklagten bei der Volksbank L1 L2 eG einging. Die Klägerin war am 01.12.2003 von ihrem bisherigen Wohnsitz in B5 E1 nach P2.-O2/G2 umgezogen. Ende 2005 hatte eine Mitarbeiterin des Klägers telefonisch die neue Bankverbindung der Beklagten erfragt.
Die Beklagte hatte sich vor ihrem Umzug ordnungsgemäß im November 2003 bei der Gemeinde B5 E1 ab- und bei der Gemeinde P2.-O2 angemeldet und für sechs Monate einen Nachsendeauftrag bei der Post gestellt. Erstmals mit Schreiben vom 13.01.2006, welches an die frühere Anschrift der Beklagten in B5 E1 gerichtet war, verlangte der Kläger die Rückzahlung der zu viel geleisteten 2.911,50 EUR. Gemäß postalischer Rückantwort vom 17.01.2006 erfuhr der Kläger, dass die Beklagte unter der angegebenen Anschrift in B5 E1 nicht zu ermitteln war. Nach mehreren vergeblichen Bemühungen, die neue Anschrift der Beklagten ausfindig zu machen, wurde ihm am 23./04.08.2006 von dem Einwohnermeldeamt B5 E1 die neue Anschrift der Beklagten mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 01.09.2006 forderte der Kläger die Beklagte vergeblich auf, an ihn 2.006,97 EUR zurückzuzahlen. Diesen Betrag hatte der Kläger anhand der Gehaltsabrechnung für die Monate Februar und März 2003 errechnet, die mit einem Nettoverdienst der Beklagten von 1.982,16 EUR abschließt. Davon hat der Kläger Arbeitslosengeld für den Zeitraum 09.02. bis 31.03.2003 sowie die überzahlte Abfindung in Höhe von 2.911,50 EUR abgezogen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch wegen der rechtsgrundlos erfolgten Überzahlung der Sozialplanabfindung zu. Er meint, die Regelungen der Insolvenzordnung gingen eventuell eingreifenden tarifvertraglichen Ausschlussfristen vor, die ohnehin auf seinen Rückforderungsanspruch keine Anwendung fänden; jedenfalls sei es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die tariflichen Ausschlussfristen zu berufen, weil sie verpflichtet gewesen wäre, ihm ihre aktuelle Anschrift mitzuteilen.
Die Beklagte vertritt den Standpunkt, der Rückforderungsanspruch des Klägers sei gemäß § 814 BGB ausgeschlossen, weil dieser gewusst habe, dass er zur Zahlung einer Abfindung in dieser Höhe nicht verpflichtet gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsg...