Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. Sonderzahlung. Weihnachtsgeld. Arbeitsentgelt. anteilige Zahlung im Austrittsjahr. allgemeiner Sprachgebrauch. Verständnis im Arbeitsleben
Leitsatz (amtlich)
Verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein „Weihnachtsgeld” ohne weitere Voraussetzungen, so ist die versprochene Zuwendung als Arbeitsentgelt i.e.S. anzusehen – mit der Folge, dass im Austrittsjahr eine anteilige Leistung geschuldet ist.
Soweit das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 30.03.1994 – AP Nr. 161 zu § 611 BGB Gratifikation darauf abgestellt hat, nach dem „allgemeinen Sprachgebrauch und einem verbreiteten Verständnis im Arbeitsleben” werde ein Weihnachtsgeld nur zu Weihnachten im bestehenden Arbeitsverhältnis gezahlt, bedarf die Feststellung eines solchen einheitlichen Begriffsverständnisses im Bestreitensfall der Beweisaufnahme. Verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Münster (Urteil vom 26.06.2001; Aktenzeichen 1 Ca 265/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 26.06.2001 – 1 Ca 265/01 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.006,61 EUR zu zahlen nebst 4% Zinsen seit dem 24.10.2000.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin, welche aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 3 ff. d.A.) vom 01.05.1999 bis zum 30.09.2000 bei der beklagten Steuerberatungsgesellschaft als Steuerfachangestellte gegen einen monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 3.500,– DM tätig war, die Beklagte auf anteilige Zahlung des vereinbarten „Weihnachtsgeldes” in Anspruch, welches sich auf 75% eines Bruttomonatsgehalts beläuft.
Sie ist der Auffassung, mangels besonderer Vertragsbedingungen handele es sich bei der zugesagten Leistung um Arbeitsentgelt i.e.S., welches – entsprechend der anteiligen Zahlung im Eintrittsjahr – auch im Austrittsjahr anteilig geschuldet werde. Damit stehe ihr für das Jahr 2000 ein Anspruch in Höhe von 9/12 der vollen Leistung, somit 3.500,– DM × 75% × 9/12 = 1.968,75 DM zu. Dies ist die Klageforderung.
Der Arbeitsvertrag enthält insoweit folgende Bestimmungen:
§ 3
Frau L1xxxxxxx bezieht ein nachträglich zahlbares Bruttogehalt von
DM 2.800,00
Urlaubsgeld in Höhe von 25% der jeweiligen Bruttovereinbarung und Weihnachtsgeld in Höhe von 75 v.H. werden vom Arbeitgeber gewährt.
Die Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die durchgeführten betrieblichen Fahrten werden mit dem jeweiligen geltenden lohnsteuerrechtlichen Pauschalsatz erstattet.
Der Arbeitgeber übernimmt die vermögenswirksamen Leistungen.
Die Zeit bis zum 01.08.1999 wird als Probezeit vereinbart.”
Nach Auffassung der Beklagten handelt es sich demgegenüber bei dem zugesagten Weihnachtsgeld um eine Gratifikation mit Mischcharakter. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, mit der genannten Leistung solle nicht allein die geleistete Arbeit, sondern auch die Betriebstreue honoriert werden, weswegen eine anteilige Zahlung im Austrittsjahr ausscheide (Beweis: Post-Körper, Harth). Im Übrigen entspreche es – wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 30.03.1994 (10 AZR 134/93 – AP Nr. 161 zu § 611 BGB Gratifikation) überzeugend ausgeführt habe, schon dem allgemeinen Sprachgebrauch und einem verbreiteten Verständnis im Arbeitsleben, dass ein „Weihnachtsgeld” nur zu Weihnachten gezahlt werde. Dabei liege in der Bezeichnung „Weihnachtsgeld” nicht nur die Bestimmung eines Fälligkeitszeitpunkts, vielmehr komme in ihr auch eine besondere Zweckbestimmung zum Ausdruck, nämlich eine Weihnachtsfreude zu bereiten und einen Beitrag zu den vermehrten Ausgaben im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest zu leisten.
Hilfsweise hat die Beklagte im ersten Rechtszuge die Aufrechnung mit Gegenansprüchen in noch zu ermittelnder Höhe wegen angeblich vorsätzlicher Löschung von Daten erklärt.
Nach Klageabweisung durch das Arbeitsgericht beantragt die Klägerin im Berufungsrechtszuge,
unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.968,75 DM nebst 4% Zinsen seit dem 24.10.2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die widerstreitenden Behauptungen der Parteien zum Vorliegen eines einheitlichen Sprachgebrauchs und eines entsprechenden verbreiteten Verständnisses im Arbeitsleben durch Einholung von Auskünften bei der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände NRW und beim DGB Landesbezirk NRW. Wegen der Fassung des Beweisbeschlusses im Einzelnen nebst Erläuterung wird auf Bl. 117, 118 d.A. Bezug genommen, wegen der erteilten Auskünfte wird auf Bl. 123, 124 sowie 126 d.A. verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin führt in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
I
Der Klägerin steht für das Jah...