Urlaubs- und Weihnachtsgeld: Wechsel auf monatliche Zahlung

Arbeitgeber dürfen eine bisher jährliche Einmalzahlung wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld nicht einseitig auf anteilige monatliche Zahlungen umstellen, um den Mindestlohnanspruch zu erfüllen. Die Regelung, nach der der Schuldner die Leistung im Zweifel früher gewähren darf, greift in dem Fall nicht, entschied das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg.

Immer wieder kommt es zu rechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es um die Frage geht, ob der Arbeitgeber durch Sonderzahlungen den gesetzlichen Mindestlohnanspruch von Beschäftigten erfüllen kann. Vorliegend stritten die Parteien darüber, ob die vorfristige Auszahlung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs in Betracht kommt.

Der Fall: Änderung bei Auszahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld

Die Arbeitnehmerin ist seit August 2000 bei ihrem Arbeitgeber, der exklusive Haar- und Hautkosmetik produziert und vertreibt, beschäftigt. Üblicherweise erhielt sie im Juni das Urlaubsgeld ausgezahlt und mit der Novemberabrechnung das Weihnachtsgeld. Ende Dezember 2021 kündigte der Arbeitgeber an, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld künftig vorbehaltlos und unwiderruflich in jährlich zwölf gleich hohen monatlichen Raten zu zahlen und auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen.

Nach Aussage des Unternehmens handele es sich bei den genannten Sonderzahlungen um Abschlagszahlungen, die Beschäftigte jeden Monat erarbeiten, und die bisher nur zu zwei aufgeschobenen Terminen, nämlich im Juni bzw. im November eines Jahres, fällig waren und ausgezahlt wurden. Diesen Fälligkeitszeitpunkt meinte der Arbeitgeber nun vorziehen zu können. Die Berechtigung ergebe sich aus der auch im Arbeitsrecht anwendbaren Regelung des § 271 Abs. 2 BGB, wonach der Schuldner im Zweifel die Vergütung auch vorzeitig leisten kann.

Aushebelung des Mindestlohngesetzes?

Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, dass der Arbeitgeber, indem er das Urlaubs- und Weihnachtsgeld in monatlichen Abschlägen auf das Grundgehalt anrechne, das Mindestlohngesetz aushebele. Für die Umstellung des Auszahlungsmodus hätte der Arbeitgeber ihre Zustimmung benötigt, die sie ausdrücklich verweigert habe. Vor Gericht verlangte sie ausstehendes Gehalt sowie die Feststellung, dass ihr das Weihnachts- und Urlaubsgeld auch künftig zustehe.

LAG Baden-Württemberg: Keine Erfüllung des Mindestlohnanspruchs

Das LAG Baden-Württemberg gab der Klage teilweise statt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber nicht zu vorfälligen Zahlungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld berechtigt war. Die neben dem Festlohn  an die Arbeitnehmerin gezahlten Vergütungsbestandteile waren daher nicht auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen.

Grundsätzlich seien alle im Synallagma stehenden Entgeltleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Die Erfüllungswirkung fehle dagegen bei Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringe oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhten.

Das monatlich ausgezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld war nach diesen Grundsätzen vorliegend nicht auf den Mindestlohn anrechenbar - auch wenn man zugunsten des Arbeitgebers annehme, dass das arbeitsvertraglich vereinbarte Urlaubs- und Weihnachtsgeld zumindest auch eine (synallagmatische) Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung und somit beim Mindestlohn grundsätzlich berücksichtigungsfähig sei.

Arbeitgeber darf Einmalzahlung nicht einseitig in Teilbeträge umlegen

Für beide Sonderzahlungen, sowohl das Urlaubsgeld als auch das Weihnachtsgeld, lag nach Meinung des Gerichts aufgrund der langjährigen einmaligen Auszahlung jeweils vor dem Sommerurlaub oder vor Weihnachten grundsätzlich eine Zeitbestimmung i.S.d. § 271 Abs. 1 BGB vor. Der Arbeitgeber habe sich nicht auf § 271 Abs. 2 BGB als Begründung für eine einseitige Umstellung in monatliche Abschlagszahlungen berufen können.

Die Auslegungsregel, dass der Schuldner im Zweifel früher zahlen könne, sei subsidiär und greife nicht, wenn sich aus Gesetz, Vereinbarung oder auch den Umständen etwas anderes ergebe. Für das LAG Baden-Württemberg ergaben die Umstände, dass die Arbeitnehmerin ein berechtigtes Interesse daran habe, dass die Sonderzahlungen nicht vor dem vereinbarten Zeitpunkt geleistet werden, um sie somit auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen.

Das LAG hat die Revision für den Arbeitgeber zugelassen, da das Bundesarbeitsgericht (BAG) sich mit der Frage, ob vor Eintritt ihrer Fälligkeit unwiderruflich und vorbehaltslos erbrachte Abschlagszahlungen auf Sondervergütungen für den Mindestlohn erfüllungswirksam sind, bisher noch nicht befasst habe.

Hinweis: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Januar 2024, Az. 3 Sa 4/23


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