Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung; betriebsbedingt; Betriebsstillegung; Betriebsübernahme
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beschäftigungsanspruch der Arbeitnehmer gegen einen Betriebserwerber ist auch dann gegeben, wenn es zum zunächst nicht beabsichtigten Betriebsübergang erst während des Laufs einer vom Vor-Arbeitgeber wegen beabsichtigter Betriebsstillegung ausgesprochenen Kündigung kommt; auf die Wirksamkeit dieser Kündigung kommt es insoweit nicht an.
2. Ein objektiver Betriebsübergang liegt grundsätzlich dann vor, wenn ein Bauunternehmen das gesamt bewegliche Anlagevermögen einer insolventen Bauunternehmung kauft, anschließend nach und nach deren Hauptbelegschaft einstellt und diese auf den gleichen Baustellen in im wesentlichen gleicher personeller Gruppierung mit den gleichen Aufgaben an den gekauften Baumaschinen einsetzt.
3. Zur Rechtzeitigkeit des Fortsetzungsverlangens gegenüber einem Betriebserwerber.
4. Zur Passivlegitimation für eine Kündigungsschutzklage bei Betriebsübergang.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 4; InsO § 113 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 19.10.2000; Aktenzeichen 7 Ca 5648/99) |
Tenor
Die Berufungen der Beklagten gegen das am 19.10.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 2 Ca 1583/00 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt zu 3/5 der Beklagte zu 1) und zu 2/5 die Beklagte zu 2).
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 56.080,00 DM.
Tatbestand
(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer vom Beklagten zu 1) ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 11.11.1999, zugegangen am 17.11.1999, zum 29.02.2000. Der Beklagte zu 1), Insolvenz Verwalter in dem per 01.11.1999 eröffneten Insolvenzverfahren des Bauunternehmens K. KG, hat sie gegenüber dem 1964 von der Gemeinschuldnerin eingestellten, zuletzt bei ihr als Oberingenieur/Bauleiter beschäftigten, 1941 geborenen Kläger und allen anderen Arbeitnehmern mit der Begründung ausgesprochen, er beabsichtige den Betrieb stillzulegen. Von dem zu 2) verklagten Bauunternehmen fordert der Kläger seine Weiterbeschäftigung mit der Begründung, diese habe den Betrieb der Gemeinschuldnerin übernommen – nämlich dadurch, daß sie am 16.11.1999 vom Beklagten zu 1) das gesamte bewegliche Anlagevermögen gekauft, nach und nach fast die gesamte Belegschaft des produktiven Bereichs eingestellt habe und diese mit den erworbenen Geräten auf ehemaligen Baustellen der Gemeinschuldnerin mit den gleichen Aufgaben und in gleicher personeller Zusammensetzung einsetze.
Das Arbeitsgericht hat dem gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Kündigungsschutzantrag und dem gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Mit ihren Berufungen verfolgen beide Beklagte ihre Klageabweisungsanträge weiter:
Der Beklagte zu 1) meint, die gegen ihn als Betriebsveräußerer gerichtete Klage hätte wegen fehlenden Feststellungsinteresses abgewiesen werden müssen. Zudem habe der Kläger den aus § 613a Abs. 4 BGB sich ergebenden Unwirksamkeitsgrund nicht innerhalb der Dreiwochenfrist des § 113 Abs. 2 InsO geltend gemacht, sondern erst mit Schriftsatz vom 20.01.2000 (Bl. 25 ff.), obwohl ihm bereits bei Klageerhebung (02.12.1999) bekannt gewesen sei, daß ein Betriebsübergang vorlag. Denn bereits am 16.11.1999 habe der Kläger gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2) geäußert, daß er von einem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) ausgehe. Spätestens jedoch auf der Betriebsversammlung vom 16.12.1999 sei dem Kläger bekannt geworden, daß die Hauptbelegschaft aus dem gewerblichen Bereich von der Beklagten zu 2) weiterbeschäftigt wurde. I.ü. sei die Kündigung nicht wegen eines angeblichen Betriebsübergangs ausgesprochen worden.
Die Beklagte zu 2) rügt, daß das Arbeitsgericht von einer Übernahme der von der Gemeinschuldnerin bearbeiteten Aufträge ausgegangen sei. Sie habe von den Aufträgen der Gemeinschuldnerin, die diese nicht beendet, sondern gekündigt bzw. abgelehnt habe, einige fortgeführt, aber aufgrund eigener Verhandlungen mit den Auftraggebern. Da der Beklagte zu 1) keine neuen Aufträge mehr akquiriert, sondern allen Arbeitnehmern gekündigt und das bewegliche Anlagevermögen verkauft habe, habe er den Betrieb stilliegen wollen und diese Absicht auch durchgeführt. Das bewegliche Anlagevermögen habe sie, die Beklagte zu 2), zum Zwecke der Weiterveräußerung erworben; der Verkauf dauere zur Zeit (Schriftsatz vom 02.07.2001) noch an. Sie habe keinen Betriebsübergang bewirken und den Betrieb nie fortsetzen wollen. Zudem habe der Kläger sein Klagerecht verwirkt: Die entscheidenden Tatsachen seien ihm bei Erhebung der Klage gegen sie mit Schriftsatz vom 20.01.2000 länger als drei Wochen bekannt gewesen. Seit dem 24.11.1999 habe er gewußt, daß sie, die Beklagte zu 2), ihn nicht habe einstellen wollen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung und beruft sich auf drei von seinen Kollege...