Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Altersdiskriminierung durch gesetzliche Regelung, die den Verlust einer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 35. Lebensjahres vorsieht
Leitsatz (amtlich)
1. § 72 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 BetrAVG i.d.F. vom 19.12.1974 verstoßen weder gegen nationales noch gegen Europarecht.
2. Für das nationale Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 3, Abs. 1 GG) und das Lohngleichheitsgebot des Art. 141 EG hat das BAG diese Feststellung schon in dem Urteil vom 18. Oktober 2005 (3 AZR 506/04) getroffen.
3. Es liegt auch keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters vor. Die Richtlinie 200/78/EG findet auf vor ihrem Erlass abgeschlossene Sachverhalte keine Anwendung. Es bleibt offen, ob der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2005 (C-144/04 – Mangold) zu entnehmen ist, dass es ein allgemeines europarechtliches Verbot der Altersdiskriminierung gibt. Selbst wenn dies angenommen wird, erweist sich die Ungleichbehandlung aus den in Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Gründen als gerechtfertigt. Diese Rechtfertigungsgründe sind als Bestandteil des allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Altersdiskriminierung anzusehen.
Normenkette
BetrAVG i.d.F. vom 13.12.1974 § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; BetrAVG i.d.F. vom 13.12.1974 § 1 Abs. 1; Richtlinie 2000/78/EG; EG Art. 141; GG Art. 3 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 24.07.2007; Aktenzeichen 8 Ca 5019/07) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitgerichts Köln vom 24. Juli 2007 – 8 Ca 5019/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung aus dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung geltend.
Der am 23. Februar 1943 geborene Kläger war zunächst vom 6. April 1959 bis zum 31. Oktober 1977 bei der Firma A, Fahrzeugwerk H K, in M als technischer Zeichner und Konstrukteur beschäftigt. Nach seinem Ausscheiden war er bei dieser Firma nochmals in der Zeit vom 1. Juli 1985 bis zum 2. Oktober 1989 als Konstrukteur tätig.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1975 teilte die Firma A dem Kläger mit:
„… nachdem Sie nun 10 Jahre der Firma A angehören, haben Sie Anspruch auf unsere firmeneigene Altersversorgung.
Zu Ihrer Information übergeben wir Ihnen als Anlage die Pensionsordnung der Firma A. Daraus können Sie entnehmen, welche Versorgungsbezüge Ihnen schon jetzt zustehen und in welchem Umfang sich diese Firmenrente durch weitere Zugehörigkeit zur Firma vergrößert. ….”
Die Pensionsordnung vom 31. Dezember 1959 sah in § 3 Abs. 1 als Voraussetzung für die Gewährung von Renten vor, dass „der Betriebsangehörige eine anrechenbare Dienstzeit von zehn Jahren (Wartezeit) bei der A zurückgelegt hat und bei Eintritt des Versorgungsfalles in den Diensten der A steht”.
Über das Vermögen der Firma A wurde am 2. Oktober 1989 das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger befindet sich seit dem 1. Februar 2006 in Ruhestand. Seither bezieht er gesetzliche Altersrente. Seinen Antrag, ihm für die erste Dienstzeit bei der Firma A Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren, wies der Beklagte ab. Zur Begründung verwies er darauf, der Kläger habe keine unverfallbare Anwartschaft erworben, weil er bei seinem Ausscheiden aus den Diensten der Firma A am 31. Oktober 1977 das 35. Lebensjahr nicht vollendet gehabt habe.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 7 Abs. 2 BetrAVG. Er habe eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung erworben. Dem stehe nicht entgegen, dass die Übergangsvorschrift des § 30 f BetrAVG die Vollendung des 35. Lebensjahres bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für den Erhalt der Anwartschaft vorsehe. Die Vorschrift sei nicht anzuwenden, weil sie eine unzulässige Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer beinhalte. Sie verstoße sowohl gegen die Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG als auch gegen den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters, den der EuGH in der „Mangold-Entscheidung” entwickelt habe. Die Diskriminierung sei nicht gerechtfertigt. Es treffe nicht zu, dass die Fluktuationsrate ab einem Alter von 35 nachlasse. Vielmehr nehme die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers in einem Betrieb laufend ab.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass ihm ab dem 1. Februar 2006 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zustehen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, die Ungleichbehandlung wegen des Alters sei nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. b der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt. Zu berücksichtigen sei, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einer langen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers habe. Zudem habe vermieden werden sollen, dass der Arbeitgeber viele in ihrer Höhe geringe Anwartschaften bis zum Erreichen der...