Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersversorgung, betriebliche. Mindestaltergrenze. Betriebliche Altersversorgung. Vereinbarkeit der gesetzlichen Mindestaltergrenze für die Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften mit Europa- und Verfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die gesetzliche Mindestaltergrenze von 35 Jahren des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG a.F. verstößt weder gegen Verfassungsrecht (im Anschluss an BAG 18.10.2005 – 3 AZR 506/04 –), noch gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung (Anschluss an LAG Köln 18.01.2008 – 11 Sa 1077/07).
Normenkette
BetrAVG § 1 Abs. 1 a.F.; EG RL 78/2000; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 17.05.2011; Aktenzeichen 8 Ca 2646/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.05.2011, Az.: 8 Ca 2646/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf betriebliche Altersversorgung.
Der 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 01.11.1971 bis 31.07.1988 beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. 1.200,00 DM. Bei der Beklagten existiert für alle Betriebsangehörigen eine Rentenzuschussregelung vom 14.11.1958 zuletzt in der Fassung des Nachtrags 24 vom 31.12.2007 (Bl. 5 ff. d.A.; im Folgenden: Rentenzuschussregelung). Die §§ 1 bis 3 Rentenzuschussregelung sehen hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Rentenzuschuss folgendes vor:
„§ 1
Jeder Betriebsangehörige hat nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen Anspruch auf Rentenzuschuss.
§ 2
Art der Versorgungsleistungen
1. Rentenzuschüsse werden nach den Bestimmungen dieser Rentenzuschussregelung mit Rechtsanspruch gewährt:
- Betriebsangehörige, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres ausgeschieden sind,
- sofern Invalidität vorliegt,
- Witwen und verstorbener Betriebsangehöriger,
- Waisen.
§ 3
Allgemeine Voraussetzungen für die Gewährung des Rentenzuschusses
Zur Gewährung des Rentenzuschusses müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Der Betriebsangehörige muss bei seinem Ausscheiden mindestens 10 Jahre ununterbrochen in einem festen Arbeitsverhältnis bei der XY gestanden haben.
2. Der Betriebsangehörige darf seine Hilfsbedürftigkeit oder seinen Tod nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben.
3. Der Betriebsangehörige muss nach den bundesgesetzlichen Regelungen über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten Invalide sein.”
Gemäß § 4 Rentenzuschussregelung ist die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Rentenzuschusses zuletzt auf monatlich 443,00 EUR festgesetzt. Der Rentenzuschuss beträgt nach zehnjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit 35 % der Bemessungsgrundlage. Für jedes weitere Jahr, dass der/die Betriebsangehörige mehr als 10 Jahre ununterbrochen im Dienst der Gesellschaft gestanden hat, steigt der Rentenzuschuss bis zum beendeten 25. Lebensjahr um 2 % und von da ab um 1 % der Bemessungsgrundlage.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, ihm stehe bei Erreichen des Rentenalters ein Rentenzuschuss 51 % seines letzten Bruttogehaltes zu. Er sei auf die Bestimmung des § 30 ff. BetrAVG nicht hingewiesen worden. In der Satzung der Beklagten sei als alleinige Voraussetzung für den Rentenzuschuss eine zehnjährige Betriebszugehörigkeit geregelt, die er aufweise. Es liege eine Altersdiskriminierung vor, die Bestimmungen seien Verfassungswidrig, widersprächen der Rechtsprechung des EuGH und den gesetzlichen Regelungen des AGG.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichtes Koblenz vom 17.05.2011, Aktenzeichen 8 Ca 2646/10 (Bl. 53 ff. d. A.).
Mit dem genannten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage mit dem Antrag festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Rentenzuschuss im Rahmen einer Altersversorgung bei Erreichen des Rentenalters, hilfsweise des 65. Lebensjahres, in Höhe von 51 % des letzten Bruttogehaltes zu bewilligen, abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse bestehe im Hinblick darauf, dass die Parteien unterschiedlicher Auffassung zu der Frage seien, ob dem Kläger eine Anwartschaft auf einen betrieblichen Rentenzuschuss zustehe und Leistungsklage noch nicht erhoben werden könne. Die Klage sei aber nicht begründet. Der Kläger erfülle gegenwärtig keinen der in § 2 der Rentenzuschussregelung normierten Tatbestände. Ihm stehe aber auch keine unverfallbare Anwartschaft auf einen Rentenzuschuss zu. Er habe die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in der Fassung vom 19.12.1974 (BetrAVG a.F.) bei seinem Ausscheiden noch nicht erfüllt. Diese Vorschrift verstoße weder gegen nationales Recht, noch gegen europarechtliche Vorgaben.
Die Beklagte sei aufgrund der ihr obliegenden Fürsorgepflicht...