Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsetzung einer Einigungsstelle;. Interessenausgleich. Sozialplan. Beschlussverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG vor, haben Arbeitgeber und Betriebsrat nicht nur über einen Interessenausgleich, sondern auch über den Abschluss eines Sozialplans, notfalls in der (vom Gericht eingesetzten) Einigungsstelle, zu verhandeln.
2. Ob § 112a BetrVG die Erzwingbarkeit des Sozialplans ausschließt, hat die Einigungsstelle selbst zu prüfen.
Normenkette
BetrVG §§ 111-112, 112a
Tenor
1. Zur Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit der Regelungsthematik Interessenausgleich und Sozialplan bezüglich Personalabbau zur Anpassung der Personalstärke an den Auftragsbestand wird Richterin am Arbeitsgericht Weißenfels vorbehaltlich der zu erteilenden Nebentätigkeitsgenehmigung bestellt.
2. Die Zahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um Einsetzung einer Einigungsstelle mit der Regelungsthematik Interessenausgleich und Sozialplan.
Die Antragsgegnerin beschäftigte im Februar 2001 143 Mitarbeiter.
Im Zuge einer von der Antragstellerin geplanten Anpassung der Personalstärke an den Auftragsbestand beabsichtigte die Beklagte 4 zum 31. März auslaufende Befristungen nicht zu verlängern sowie 17 Kündigungen von befristeten Arbeitsverträgen und 11 Kündigungen von unbefristeten Arbeitsverträgen auszusprechen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 4 der Akten Bezug genommen.
Die Kündigungen sind mittlerweile ausgesprochen. Die befristeten Arbeitsverträge wurden nicht verlängert.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass der Personalabbau sowohl interessenausgleich- als auch sozialplanpflichtig sei. Betroffen seien 32 Arbeitnehmer. Darüber hinaus erschöpfe sich die Maßnahme nicht im reinen Personalabbau, vielmehr seien Umsetzungen und Versetzungen geplant. Eine analytische Arbeitsbewertung solle durchgeführt werden, Arbeitsabläufe würden geändert. Geplant bzw. bereits durchgeführt seien auch mehrere Zeiten der Betriebsruhe. Der Antragsteller strebe insoweit Kurzarbeit an.
Der Antragsteller beantragt daher:
- Zur/Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit der Regelungsthematik Interessenausgleich und Sozialplan für die Betriebsänderung bei der Antragsgegnerin (Personalabbau zur Anpassung der Personalstärke an den Auftragsbestand) wird eine Richterin/ein Richter aus der Arbeitsgerichtsbarkeit bestellt, vorbehaltlich der zu erteilenden Nebentätigkeitsgenehmigung.
- Die Zahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer wird auf 3 festgesetzt.
Die Antragsgegnerin beantragt
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hält eine Einigungsstelle für offensichtlich unzuständig. Für die Frage, ob eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 Nr. 1 BetrVG vorliegt, komme es lediglich auf die 11 unbefristeten Arbeitsverhältnisse an; dabei seien die Zahlen des § 17 KSchG nicht erreicht. Die Einrichtung einer Einigungsstelle hinsichtlich des Interessenausgleichs sei überflüssig, da der Betriebsrat ausdrücklich erklärt habe, dass er einen Interessenausgleich, in dem vereinbart werde, dass betriebsbedingte Kündigungen erfolgen, unter keinen Umständen unterschreiben werde. Im übrigen seien zwischenzeitlich alle Kündigungen ausgesprochen worden, so dass keinerlei Bedarf mehr für die Bildung einer Einigungsstelle hinsichtlich eines Interessenausgleiches bestehe.
Sonstige Änderungen seien nicht geplant. Bei der geplanten Maßnahme handele es sich allein um einen Personalabbau.
Eine Sozialplanpflichtigkeit bestehe ebenfalls nicht. Bei 17 Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern, die ein befristetes Arbeitsverhältnis hatten sowie 11 Kündigungen bei Arbeitnehmern, die ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hatten, sei der Zahlenschlüssel des § 112 a Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG nicht erreicht.
Der Antrag, die Einigungsstelle mit jeweils 3 Beisitzern zu besetzen, sei überzogen. Es handele sich um eine übliche und normale Regelungsmaterie im Rahmen von Personalabbaumaßnahmen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Der Antrag ist weitestgehend begründet. Das Gericht hält es allerdings für ausreichend, die Einigungsstelle mit jeweils zwei Beisitzern zu besetzen.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist örtlich gemäß § 82 Satz 1 ArbGG zuständig.
Der Betriebsrat ist gemäß § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG antragsbefugt. Das Rechtsschutzbedürfnis folgt daraus, dass sich die Antragsgegnerin geweigert hat, die bereits laufenden Interessenausgleichsverhandlungen fortzuführen, weil sie ihre Pflicht zur Führung von Verhandlungen über den Interessenausgleich verneinte.
2. Der Antrag ist begründet, soweit es um die Bestellung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle geht. Die Zahl der Beisitzer war allerdings lediglich auf 2 festzusetzen.
a) Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG können Anträge auf Bestellung des Vorsitzenden und ...