Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird bei einem Doppelarbeitsverhältnis im zweiten Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der im ersten Arbeitsverhältnis vereinbarten Arbeitszeit die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit um 10 Stunden wöchentlich überschritten, so ist das zweite Arbeitsverhältnis in vollem Umfange nichtig (im Anschluß an BAG, Urteil vom 19.06.1959 – 1 AZR 565/57 – AP Nr. 1 zu § 611 BGB Doppelarbeitsverhältnis).
2. Der Arbeitgeber kann sich auch dann auf die Nichtigkeit berufen, wenn ihm bei Eingehung des zweiten Arbeitsverhältnisses das Bestehen des ersten Arbeitsverhältnisses bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein können.
3. Mit einer gesetzlich zulässigen Arbeitszeit kann das zweite Arbeitsverhältnis nur dann aufrechterhalten werden, wenn dies dem mutmaßlichen Willen beider Parteien entspricht.
Normenkette
AZO § 2 Abs. 3 S. 2, § 3; BGB § 139
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 20.04.1994; Aktenzeichen 13a Ca 10436/93) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20. April 1994 – 13a Ca 10436/93 – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 29.10.1993 sowie um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 29.10.1993 hinaus.
Die Klägerin war seit 09.07.1990 bei der Beklagten als Datentypistin gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt DM 2.915,– brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Sie arbeitete dort montags bis freitags in der Spätschicht von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Daneben war sie als Angestellte bei einer Spedition mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt, wo sie montags bis freitags jeweils von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr arbeitete. Auf dieses Arbeitsverhältnis hatte die Klägerin in einem aus Anlaß des Abschlusses des Anstellungsvertrags vom 01.10./15.10.1991 für die Beklagte erstellten Personalfragebogen vom 29.09.1991 hingewiesen.
Mit Schreiben vom 29.10.1993, das die Klägerin am 30.10.1993 erhielt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf das bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis der Klägerin bei der Spedition fristlos. Der mit Schreiben der Beklagten vom 26.10.1993 zu einer beabsichtigten außerordentlichen und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung angehörte Betriebsrat hatte gegen eine Kündigung keine Bedenken erhoben.
Mit der am 03.11.1993 zum Arbeitsgericht erhobenen Feststellungsklage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 29.10.1993 hinaus geltend gemacht. Sie ist der Meinung, die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht auf das Bestehen eines Doppelarbeitsverhältnisses berufen, da ihr dieses von Anfang an bekannt gewesen sei. Die Bejahung eines Kündigungsrechts verkehre den Schutzzweck der Arbeitszeitordnung in sein Gegenteil. Sie sei dringend auf das mit der Beklagten eingegangene Arbeitsverhältnis angewiesen, da sie erhebliche Schulden abbauen müsse. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf die Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 AZO berufen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Endurteil vom 20.04.1994 kostenpflichtig abgewiesen den Streitwert auf DM 8.745,– festgesetzt. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird verwiesen.
Mit der am 05.07.1994 eingelegten und am 08.09.1994 – nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – begründeten Berufung gegen dieses ihr am 08.06.1994 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Sie rügt nach wie vor einen Verstoß der Beklagten gegen Treu und Glauben (venire contra factum proprium) und vertritt weiter die Ansicht, ein Verstoß ihres mit der Beklagten eingegangenen Teilzeitarbeitsverhältnisses gegen § 3 AZO könne nicht zur Nichtigkeit dieses Arbeitsverhältnisses führen, dieses sei, vielmehr gemäß § 139 BGB mit einem zulässigen Inhalt – etwa einer täglichen Arbeitszeit von zwei Stunden – aufrechtzuerhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 08.09.1994 verwiesen.
Die Klägerin stellt folgende Anträge:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 20.04.1994 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 29.10.1993 hinaus fortbesteht, gegebenenfalls zu anderen Bedingungen.
III. Es wird festgestellt, daß das Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.1993 zum 31.12.1993 nicht aufgelöst worden ist.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts als zutreffend und tritt dem Berufungsvorbringen der Klägerin entgegen. Auf die Berufungsbeantwortung vom 04.10.1994 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung...