Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Kostenerstattung bei Rücknahme einer zur Fristwahrung eingelegten Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer zur Fristwahrung eingelegten Berufung kann der Berufungsbeklagte die Erstattung einer halben Prozeßgebühr verlangen.

Dies gilt auch, wenn die Berufung nicht ausdrücklich lediglich zur Fristwahrung eingelegt worden ist.

 

Normenkette

RpflG § 11; ZPO §§ 104, 91, 515; BRAGO §§ 31-32

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 10.05.2000; Aktenzeichen 4 Ca 1562/99)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 18.05.2000 wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 10.05.2000 teilweise abgeändert.

Die von dem Kläger an das beklagte Land zu erstattenden Kosten werden auf 497,69 DM festgesetzt.

Im übrigen wird der Kostenfestsetzungsantrag des beklagten Landes vom 05.01.2000 zurückgewiesen.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf 949,– DM.

 

Gründe

I.

Der Kläger hat gegen das am 26.08.1999 verkündete und am 28.09.1999 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg am 27.10.1999 Berufung eingelegt und Berufungsanträge sowie Berufungsbegründung einem besonderen Schriftsatz vorbehalten. Mit Schriftsatz vom 10.11.1999 kündigte der Beklagtenvertreter den Antrag an, die Berufung kostenpflichtig abzuweisen. Nach erfolgter Akteneinsicht hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24.11.1999 die Berufung zurückgenommen.

Auf Antrag des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht durch Beschluß vom 09.03.2000 erkannt, daß der Kläger die Kosten des von ihm eingelegten Rechtsmittels zu tragen habe.

Mit Schriftsatz vom 05.01.2000 beantragte der Beklagte die Kostenfestsetzung. Bei der Rechtsanwaltskostenberechnung legte der Beklagte eine 13/10 Prozeßgebühr bei einem Gegenstandswert von 10.487,28 DM zu Grunde. Mit Beschluß vom 10.05.2000 hat das Arbeitsgericht die von dem Kläger an das beklagte Land zu erstattenden Kosten auf 949,– DM festgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidung bezieht sich das Arbeitsgericht auf den Beschluß des Landesarbeitsgerichtes vom 09.03.2000.

Der Kostenfestsetzungsbeschluß ist dem Kläger am 12.05.1999 zugestellt worden. Mit seiner am 19.05.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß. Der Kläger ist der Ansicht, die Beauftragung des Prozeßbevollmächtigten für die 2. Instanz sei nicht notwendig gewesen. Die Einreichung der Berufung sei lediglich fristwahrend erfolgt.

Der Beklagte meint, der Kostenfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichtes vom 10.05.2000 sei rechtens ergangen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist zum Teil begründet.

1.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nach § 11 Abs. 1 RPfl.G., 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt, §§ 577 Abs. 2, 569 ZPO, § 78 Abs. 1 ArbGG.

2.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes und des Beklagten ist im Rahmen der Kostenfestsetzung zu prüfen, ob kostenauslösende Handlungen der Prozeßpartei notwendig im Sinne des § 91 ZPO und damit geeignet waren, erstattungsfähige Kosten auszulösen. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichtes nach § 515 Abs. 3 ZPO ist die Kostengrundentscheidung (Zöller/Herget, 21. Aufl., § 104 ZPO Rdnr. 9; OLG Nürnberg, Beschluß vom 10.03.1995 – 12 W 791/95 – MDR '95, 966).

3.

Der Erstattungsanspruch des Beklagten – soweit beantragt – umfaßt lediglich eine 13/20 Prozeßgebühr vom Hauptsachestreitwert.

In der Rechtsprechung ist die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten des Berufungsbeklagten bei Berufungsrücknahme vor deren Begründung umstritten (volle 13/10 Prozeßbegebühr: OLG Düsseldorf. Beschluß vom 23.03.1993 – 10 W 123/92 –, Jur. Büro '94, 97 mit Anmerkung Mümmler; keine Prozeßgebühr erstattungsfähig: LAG Düsseldorf, Jur. Büro '86, 1361; vermittelnde Ansicht: 13/20 Prozeßgebühr vom Hauptsachestreitwert (ggf. zusätzlich 13/10 Prozeßgebühr nach dem Streitwert für das Kosteninteresse): LAG Sachsen-Anhalt, Beschluß vom 21.02.1996 – 2 Ta 32/96 – LAGE Nr. 27 zu § 91 ZPO; OLG Köln. Beschluß vom 15.09.1997 – 17 W 243/97 – FamRZ 98, 841 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluß vom 05.05.1993 – 2 WF 60/92 – Jur. Büro '94, 159; OLG Hamburg, Beschluß vom 28.06.1994 – 8 W 136/94 – Jur. Büro '95, 90 mit Anmerkung Mümmler; OLG Nürnberg. Beschluß vom 17.07.1992 – 4 W 1674/92 –, Jur. Büro '93, 91).

Das Gericht folgt der vermittelnden Ansicht, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Berufung erkennbar lediglich zur Fristwahrung eingelegt worden ist.

3.1.

Die Prozeßgebühr ist entstanden und grundsätzlich erstattungsfähig.

Nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Diese Erstattungspflicht beruht auf dem Grundsatz, daß sich eine Partei im Prozeß eines Rechtsanwalts bedienen darf. Ob die Beauftragung eines Rechtsanwalts als solche notwendig und zweckmäßig ist, bedarf im Rahmen der Kostenfestset...

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