Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswegzuständigkeit zur Arbeitsgerichtsbarkeit bei "sic-non-Fällen". Arbeitnehmerbegriff im Arbeitsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Stellt der Kläger seinen Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage, obwohl fraglich ist, ob deren Voraussetzungen vorliegen, handelt es sich um einen "sic-non-Fall". Für die Bejahung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten genügt die Rechtsansicht des Klägers, Arbeitnehmer zu sein. Die Frage, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, ist dann sowohl für den Rechtsweg als auch für den Erfolg der Klageanträge relevant.

2. Arbeitnehmer ist, wer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit oder Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, § 5 Abs. 1 S. 1; GVG § 13; BGB § 611a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 20.05.2020; Aktenzeichen 5 Ca 412/20)

 

Tenor

  1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 20.05.2020 - 5 Ca 412/20 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I.

Im Beschwerdeverfahren streiten die Parteien über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Im noch rechtshängigen Hauptsacheverfahren macht der Kläger gegen die Beklagte Vergütungsansprüche geltend und wendet sich gegen zwei ihm gegenüber ausgesprochene Kündigungen.

Der Kläger ist IT-Berater und Geschäftsführer der H. IT-Service und Dienstleistung GmbH. Die Beklagte vermittelt Aufträge in der IT-Branche, unter anderem im Wege des Subcontractings.

Ein Kunde, die T, trat an die Beklagte heran und bat, den Kläger für ein Projekt zu akquirieren. Der Kunde (T) wünschte, dass der Kläger auf der Grundlage zulässiger Arbeitnehmerüberlassung tätig wird. Die GmbH des Klägers sollte nicht beauftragt werden.

Vor diesem Hintergrund schloss die Beklagte mit dem Kläger am 14./15.06.2019 einen Anstellungsvertrag, um dessen Dienste im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an die T zu vermitteln. T wiederum beabsichtigte, den Kläger bei ihrem Kunden A. an dessen Sitz in Ha. einzusetzen.

In dem Vertrag heißt es auszugsweise:

"zwischenc. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, ..., (nachfolgend Arbeitgeber genannt)undHerrn N. H., geb. am ...1959, ... (nachfolgend Arbeitnehmer genannt)wird nachfolgender Anstellungsvertrag geschlossen

§ 1 Vertragsgegenstand

Der Arbeitgeber beschäftigt den Arbeitnehmer ab dem 01.07.2019 als IT Berater.

Mit Vertragsbeginn wird der Mitarbeiter ggfs. auch bei auswärtigen Kunden an wechselnden Einsatzstellen in Kundenbetrieben und bei wechselnden Kunden eingesetzt. Die Überlassung ist entweder befristet oder erfolgt bis auf weiteres und ist stets vorübergehend. [...] Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung wurde durch die Agentur für Arbeit in D. am 18.05.2027 erteilt.

Im Übrigen ist der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Mitarbeiter bei gleichbleibender Vergütung auch andere, seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende oder ggf. auch weniger qualifizierte Tätigkeiten zuzuweisen.

§ 2 Vertragsdauer, Probezeit und Kündigungsfrist

a) Dieses bis zum 30.06.2020 befristete Vertragsverhältnis beginnt am 01.07.2019.

b) Die ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses gelten als Probezeit.

Im Übrigen gelten für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer beiderseits die Fristen des § 622 Abs. 1 und 2 BGB. Die in diesem Abschnitt genannten Kündigungsfristen gelten auch für das befristet geschlossene Arbeitsverhältnis.[...]

§ 3 Direktionsrecht

a) "Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Mitarbeiter jederzeit von einem Einsatzort abzuberufen und ihn an einen anderen Einsatzort einzusetzen. Er kann auch mit anderen Tätigkeiten beauftragt werden, soweit diese seinen Fähigkeiten entsprechen. Vorübergehend kann der Mitarbeiter auch mit einer weniger qualifizierten Arbeit beauftragt werden. Die Höhe der Vergütung bleibt davon unberührt.

b) Soweit dem Mitarbeiter Aufgaben im Betrieb des Kunden übertragen sind, unterliegt er den Arbeitsanweisungen des Kunden im Rahmen dieses Vertrages. Das allgemeine Direktionsrecht des Arbeitgebers bleibt dadurch unberührt.[...]

§ 4 Arbeitszeit

a) Als individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit werden 40 Stunden (ohne Pausenzeiten) vereinbart.

Der Mitarbeiter ist auf arbeitgeberseitige Anordnung verpflichtet, im zumutbaren und rechtlich zulässigen Umfang Mehrarbeit zu leisten.

b) Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit richtet sich nach den Gegebenheiten im Betrieb des Arbeitgebers. Im Rahmen der vereinbarten wöchentlichen Arb...

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