Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändungsschutz. Mieteinnahmen. Mieteinnahmen als sonstige Einkünfte i.S.d. § 850i Abs. 1 Alt. 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Mieteinnahmen sind sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, im Sinne des § 850i Abs. 1 Alt. 2 ZPO.
Normenkette
ZPO § 850i; InsO § 36; ZPO § 850i Abs. 1 Alt. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 27.06.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 19.06.2012 – 98 IK 365/11 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung des Antrags des Schuldners sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Bonn hat mit Beschluss vom 28.12.2011 – 98 IK 365/11 – über das Vermögen des Schuldners auf dessen Antrag das Insolvenzverfahren eröffnet und Herrn Dr. E aus H gemäß § 313 InsO zum Treuhänder bestellt. Der Schuldner und seine Ehefrau hatten am 07.06.2008 als Erwerber einen „Mietkaufvertrag” über den Erwerb des von ihnen bewohnten Wohnhauses geschlossen. Mit Vertrag vom 01.08.2008 (Bl. … GA) vermieteten der Schuldner und seine Ehefrau die hierin befindliche Dachgeschosswohnung an Herrn T, der eine monatliche Miete von 360,– EUR zahlt. Mit Schreiben vom 24.05.2012 vertrat der Treuhänder gegenüber dem Schuldner die Auffassung, dass die Mietforderungen nicht zum unpfändbaren Einkommen des Schuldners gehörten und kündigte die Einziehung der Mieten an. Daraufhin hat der Schuldner beim Amtsgericht beantragt, nach § 850i ZPO festzustellen, dass die Mieteinnahmen nicht verwertet werden dürfen und dem Treuhänder die Einziehung der Miete untersagt wird, weil die Mieteinnahmen bei der Berechnung des Existenzminimums durch die ARGE berücksichtigt worden sei, so dass sein Existenzminimum bei Einziehung der Mieteinnahmen nicht mehr gewahrt sei. Zudem stünde die Hälfte der Mieteinnahmen seiner Ehefrau zu. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 36 InsO, 793, 567 ZPO zulässig. Das Insolvenzgericht entscheidet im Rahmen der Beschlussfassung nach § 36 InsO kraft besonderer Zuweisung als Vollstreckungsgericht, mit der Folge, dass die Vorschrift des § 793 ZPO als speziellere Regelung der Vorschrift des § 6 InsO vorgeht (vgl. BGH ZinsO 2004, 391; FK-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 36 Rn. 41).
In der Sache hat das Rechtsmittel jedenfalls vorläufigen Erfolg. Das Amtsgericht durfte den Antrag nicht mit der Begründung zurückweisen, dass das Gesetz eine Freigabe von Mieteinnahmen nicht ermögliche und die Freigabe von Mieteinnahmen im Insolvenzverfahren rechtlich nicht möglich sei. Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – ist u.a. für die Entscheidung über den Antrag auf Pfändungsschutz für das sonstige Einkommen nach § 850i ZPO zuständig. Das ergibt sich aus § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO, wonach das Insolvenzgericht für die Entscheidung zuständig ist, ob ein Gegenstand nach den in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten Vorschriften – dazu zählt auch § 850i ZPO – der Zwangsvollstreckung unterliegt.
Die Frage, ob im Rahmen des § 850i ZPO Pfändungsschutz für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bestehen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten und bislang vom Bundesgerichtshof nicht entschieden. Während zum Teil die Ansicht vertreten wird, diese Einnahmen unterfielen nicht der Regelung des § 850i ZPO, weil nach der Systematik des Gesetzes weiterhin nur Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erfasst seien und der Gesetzgeber offensichtlich nur derartige Einnahmen im Auge gehabt habe (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 07.06.2012 – L 5 AS 193/12, zitiert nach […].de; Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 850i, Rn. 1), ist nach der Gegenansicht der Schutzumfang des § 850i ZPO angesichts der Intention des Gesetzgebers, einen umfassenden Pfändungsschutz für Einkommen zu schaffen und die öffentlichen Haushalte zu schonen, weit auszulegen (Musielak, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 851i, Rn. 3; Riedel, in: Beck'scher Online-Kommentar ZPO, Stand 2012, § 850i Rn. 5) und sollen daher auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung von der Regelung umfasst sein. Dieser letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Nach der Gesetzesbegründung sollten mit der Neuregelung des § 850i ZPO für sämtliche Arten von Einkünften, die keinem besonders geregelten Pfändungsschutz wie Arbeitseinkommen und Sozialleistungen unterliegen, Pfändungsschutz möglich sein (BT-Drucks. 16/7615, Seite 18 zu Nr. 6). Wie auch der nachfolgenden Begründung zur Änderung des § 850k ZPO zu entnehmen ist, sollte dadurch dem Schuldner unabhängig von der Art der Einkünfte – und zwar auch unabhängig davon, ob es sich um Einnahmen aus Erwerbstätigkeit oder um Kapitaleinkünfte handelt – ein Pfändungsfreibetrag zur Verfügung stehen,...