Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Konkursverschleppung sowie des Betruges. Erhebung von im Strafverfahren nicht verwendeten Beweismitteln. Vorliegen eines Anfangsverdachts bezüglich einer Insolvenzverschleppung auf Grund kriminalistischer Erfahrung
Normenkette
InsO § 97 Abs. 1; KO § 100
Verfahrensgang
AG Kirchheim/Teck (Beschluss vom 05.05.2000; Aktenzeichen 2 Gs 99/00) |
Tenor
1. Der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Kirchheim / Teck vom 5. Mai 2000 wird aufgehoben.
2. Die beschlagnahmten Geschäftsunterlagen sind herauszugeben.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.
Tatbestand
I.
Die Staatsanwaltschaft Ravensburg leitete durch Verfügung vom 7. März 2000 gegen den Beschwerdeführer als (Mit-) Verantwortlichen der Fa. &W$ GmbH ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Konkursverschleppung sowie des Betruges ein. Grundlage der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens waren im Wesentlichen der Insolvenzantrag des Beschwerdeführers sowie der Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters, der u.a. auch die Angaben des Beschwerdeführers zur Lage der GmbH verwertete. Die Unterlagen wurden aus den Insolvenzakten erhoben. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Ravensburg erließ das Amtsgericht Kirchheim/Teck am 5. Mai 2000 wegen Verdachts des Betruges den angefochtenen Durchsuchungsbeschluss, da die Firma bereits seit 1996 überschuldet gewesen sei und bei Insolvenzantragstellung Forderungen aus Lieferungen und Leistungen i. H. von 255.000 DM vorlägen.
Entscheidungsgründe
II.
Auf die zulässige Beschwerde war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
1.
Bei der Einleitung des Strafverfahrens (EA Bl. 29) wurden, unter Verstoß gegen das strafrechtliche Verwendungsverbot von Aussagen und Angaben des Gemeinschuldners bzw. dessen gesetzlichen Vertreters gemäß § 97 Abs. 1 InsO, im Wesentlichen die Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem Insolvenzgericht und dem vorläufigen Insolvenzverwalter (EA Bl. 1-28) ausgewertet. Die Angaben des Beschwerdeführers sind damit gesetzwidrig Bestandteil der Ermittlungsakten geworden. Sie dürfen nach dem Willen des Gesetzgebers auch nicht Grundlage von weiteren Ermittlungsansätzen der Strafverfolgungsbehörden werden (vgl. Kübler-Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, Fn. 18 zu § 97 InsO).
Aus der Wortwahl „verwenden” in § 97 Abs. 1 InsO statt „verwerten” in § 100 KO ergibt sich eindeutig, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch solche Tatsachen nicht verwertet werden dürfen, zu denen die Auskunft den Weg gewiesen hat (BT-Drucks 12/2443 v. 15.4.92, S. 71 ff, zit. nach Kübler/Prütting a.a.O.). Dieses Verwendungsverbot dient dazu, einerseits den Anforderungen der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zu § 100 KO gerecht zu werden, andererseits soll damit erreicht werden, dass die Gläubiger als Beteiligte am Insolvenzverfahren umfassende und bestmögliche Kenntnis von der Lage der Gesellschaft erhalten.
Die Staatsanwaltschaft hat damit bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens wegen Insolvenzverschleppung und Betrug gegen § 97 Abs. 1 InsO verstoßen. Ein Beweisverwendungsverbot führt grundsätzlich zu einem Beweisermittlungsverbot (vgl. Gössel, NStZ 98, 126 m.w.N.) der darauf gestützten strafprozessualen Maßnahmen, wie hier des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses. Es verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Beweismittel zu erheben, die im Strafverfahren nicht verwendet werden dürfen.
2.
Ein Verstoß gegen Beweisverbote führt jedoch nicht in jedem Fall zwingend zur Aufhebung der getroffenen Ermittlungsmaßnahmen:
Nicht vom Beweisverwertungs- und -Verwendungsverbot des § 97 InsO umfasst sind Geschäftsunterlagen, zu deren Führung eine gesetzliche Verpflichtung besteht (vgl. Richter a.a.O., S. 4), wie Handelsbücher und Bilanzen. Diese wären auch gem. § 97 StPO beschlagnahmefähig (LG Stuttgart, wistra 85, 41; 88, 40; KK-Nack, StPO, 3. Aufl., § 97 Rz 11 m.w.N.). Des Weiteren sind auf Grund der Anordnung über die Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) gem. Abschn. XXII a Nr. 2 Abs. 1 und Abs. 2 MiZi die Insolvenzgerichte verpflichtet, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Staatsanwaltschaft zur Prüfung eines strafrechtlichen Anfangsverdachtes mitzuteilen, damit strafrechtliche Vorermittlungen im Hinblick auf Insolvenzvergehen durchgeführt werden können.
Die Staatsanwaltschaft hätte daher, auch ohne Verwertung der Angaben des Beschwerdeführers im Insolvenzverfahren, auf Grund der in zulässiger Weise erlangten Kenntnis von der Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse und der erhobenen Bilanzen einen Anfangsverdacht auf Grund kriminalistischer Erfahrung, jedenfalls bezüglich einer Insolvenzverschleppung bejahen und hierfür einen Durchsuchungsbeschluss beantragen können. Der Staatsanwaltschaft wären damit in rechtlich nicht zu beanstandender Weise, ohne auf die Angaben des Be...