Dr. Michael Hoheisel, Dr. Michael Tippelhofer
Rn. 6
Stand: EL 141 – ET: 02/2020
Werden dem StPfl Beträge, die er als SA abgezogen hat, später erstattet, so liegt im Rückfluss der SA ein einkommensteuerlich relevanter Vorgang nur dann nicht vor, wenn die Rückzahlung ihre Ursache ausnahmsweise im privaten Vermögensbereich hat und sich deshalb als Zuwendung iSd § 12 Nr 2 EStG erweist. Liegt hingegen der Rechtsgrund für die Rückzahlung im Schuldverhältnis zwischen dem StPfl und dem Empfänger der Aufwendungen begründet, zB weil der StPfl sie tatsächlich nicht schuldet, oder besteht gegen einen Dritten ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf eine Ersatzleistung, die ihrerseits nicht zu stpfl Einnahmen führt, fehlt es an der für den SA-Abzug erforderlichen wirtschaftlichen Belastung des StPfl, die dem Begriff "Aufwendungen" in § 10 Abs 1 EStG vor Nr 1 immanent ist (vgl BFH BStBl II 1989, 683; 1989, 779). Es kommt nicht darauf an, ob die Erstattung auf einer Überzahlung infolge nachträglicher Herabsetzung oder eines Erlasses beruht. Soweit mithin die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des StPfl infolge der vereinnahmten Erstattung nicht beeinträchtigt ist, ist der als Steuerbegünstigung verstandene SA-Abzug nicht gerechtfertigt.
Rn. 6a
Stand: EL 141 – ET: 02/2020
Erstattungen von SA sind zunächst mit den Aufwendungen im Erstattungsjahr zu verrechnen. Nur der Differenzbetrag ist als SA abziehbar. Unbeachtlich ist hierbei, ob und inwieweit sich die erstatteten Beträge in einem vorausgegangenen VZ steuermindernd ausgewirkt haben.
Die Verrechnungspflicht gilt allerdings nur für SA der jeweils gleichen Art, so dass zB erstattete KiSt nur mit gezahlter KiSt verrechnet werden kann, nicht aber mit gezahltem Schulgeld (BFH BStBl II 1999, 95; BFH/NV 2005, 1304). Entscheidend für die Gleichartigkeit ist der Sinn und Zweck der SA sowie deren wirtschaftliche Bedeutung. Bei Versicherungsbeiträgen kommt es auf die Funktion und das abgesicherte Risiko an (BFH BStBl II 2010, 38; BFH/NV 2016, 1688; H 10.1 EStH 2018). Zur Erstattung von KiSt s Rn 291 und 744ff; zur Erstattung von Vorsorgeaufwendungen s Rn 744ff; zur Rückerstattung von Krankenversicherungsbeiträgen s Rn 275.
Bei einem Erstattungsüberhang kommt im Erstattungsjahr nach der Verrechnung kein weiterer SA-Abzug in Betracht. Der Erstattungsüberhang ist auch nicht als Einnahme zu erfassen (BFH BStBl III 1963, 536). Für Erstattungen an den Gesamtrechtsnachfolger des StPfl (§ 45 AO) gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend (s Rn 14).
Rn. 6b
Stand: EL 141 – ET: 02/2020
Der BFH hat entschieden, dass bei einem StPfl, der ohne Rechtsgrund KiSt-Zahlungen erbringt, sie aber in einem späteren VZ, in dem er keine KiSt mehr zahlt, ganz oder teilweise erstattet erhält, der SA-Abzug im Zahlungsjahr in entsprechender Höhe auch dann zu kürzen ist, wenn sich erst nach Ablauf des VZ der Zahlung herausstellt, dass die ursprüngliche KiSt-Zahlung rechtsgrundlos erfolgte (BFH BStBl II 1996, 646). Diese Rspr hat der BFH v 28.05.1998, BStBl II 1999, 95 dahingehend fortgeführt, dass für den SA-Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen ein Tatbestandsmerkmal mit Wirkung für die Vergangenheit wegfalle, wenn Beiträge mangels Versicherungspflicht entfielen. Sei im Jahr der Erstattung an den StPfl eine Kompensation mit gleichartigen Aufwendungen nicht möglich, so sei der SA-Abzug des Jahres der Verausgabung um die – ggf zeitanteilig anzusetzende – nachträgliche Erstattung zu mindern.
Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass gegenüber der Verrechnung erstatteter SA mit Aufwendungen derselben Art im Erstattungsjahr aus rechtssystematischen Gründen Bedenken bestünden. Sie könne lediglich aus Gründen der Praktikabilität und Rechtskontinuität beibehalten werden. Sei jedoch eine derartige Kompensation ganz oder teilweise (vgl BFH BStBl II 1999, 95) nicht möglich, so müsse, da der StPfl in Höhe der Erstattung nicht endgültig mit als SA abziehbaren Aufwendungen wirtschaftlich belastet sei, zur Vermeidung ungerechtfertigter Steuervorteile der SA-Abzug des Jahres der Verausgabung entsprechend gemindert werden.
Da der BFH seine Entscheidungen ausdrücklich als Ergebnis "verallgemeinerungsfähiger Rechtsgedanken" versteht (vgl BFH BStBl II 1999, 95), sind deren Grundsätze auf alle Arten von SA zu übertragen.
Die FinVerw hat sich dieser Auffassung angeschlossen (BMF BStBl I 2002, 667). Mit Urt v 07.06.2004 (BFH BStBl II 2004, 1058) und v 23.02.2005 (BFH BFH/NV 2005, 1304) hat der BFH seine Auffassung bekräftigt (kritisch dazu Endriss, DStR 2005, 1171; Oertheil, DB 2005, 466).
Verfahrensrechtlich erfolgt die Änderung des ESt-Bescheides gemäß § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO (BFH BStBl II 2004, 1058; BFH/NV 2016, 1704). Wird ein ESt-Bescheid erstmalig erlassen oder aus anderen Gründen geändert, ohne den bereits entstandenen überschießenden Erstattungsbetrag zu berücksichtigen, ist eine Korrektur gemäß § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO nicht mehr zulässig, da § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO voraussetzt, dass das Ereignis nachträglich, dh nach Erlass des Steuerbescheids, eingetreten ist...