Rn. 171
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Abziehbare Zuwendungen, die die Höchstbeträge nach § 10b Abs 1 S 1 EStG überschreiten oder die den um die Beträge nach § 10 Abs 3 u 4 EStG, § 10c u § 10d EStG verminderten Gesamtbetrag der Einkünfte übersteigen, sind in den folgenden VZ iRd Höchstbeträge als Sonderausgaben abzuziehen (§ 10b Abs 1 S 9 EStG). Es handelt sich um einen zeitlich unbegrenzten Zuwendungsvortrag. Dem Grunde nach abziehbare Zuwendungen, für die im Jahr der Zuwendung
- wegen der Höchstbetragsbegrenzung (Alt 1) oder
- wegen der zu geringen Höhe des um bestimmte vorrangig abzuziehende Beträge geminderten Gesamtbetrags der Einkünfte (Alt 2)
kein Sonderausgaben-Abzug möglich ist, werden in den auf den VZ der Zuwendung folgenden VZ vorgetragen und diesem VZ zugeordnet. Ein Zuwendungsvortrag kann sich aufgrund der 1. oder der 2. Alt ergeben, ein Sachverhalt kann allerdings auch beide Alt erfüllen.
Rn. 172
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
In der 1. Alt, der Überschreitung der Höchstbeträge, ist der Abzug der Zuwendungen als Sonderausgabe der Höhe nach begrenzt, weil die Zuwendungen den höheren der beiden nach § 10b Abs 1 Nr 1 u 2 EStG zu ermittelnden Höchstbetrag übersteigen, vgl Hüttemann, DB 2007, 2035. Der Differenzbetrag, der sich zwischen der Summe der Zuwendungen und dem höchsten Höchstbetrag ergibt, ist im Jahr der Zuwendung nicht als Sonderausgabe abziehbar und wird deshalb in den nächsten VZ vorgetragen.
Rn. 173
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In der 2. Alt ergibt sich ein Zuwendungsvortrag deshalb, weil die Summe der Zuwendungen des betreffenden VZ, ggf zuzüglich des Zuwendungsvortrags aus dem vorangegangenen VZ, den um die Beträge gemäß § 10 Abs 3 u 4 EStG, § 10c EStG u § 10d EStG verminderten Gesamtbetrag der Einkünfte übersteigt, vgl dazu Nacke, DStZ 2008, 445. Der Gesetzgeber hat durch das JStG 2008 die Abzugsreihenfolge ausdrücklich dahin geregelt, dass vom Gesamtbetrag der Einkünfte zunächst der Verlustabzug nach § 10d EStG sowie die Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs 3 u 4 EStG und die nach § 10c EStG abzuziehen sind. In diesem Fall beträgt der Zuwendungsvortrag die Differenz zwischen der Summe der Zuwendungen des betreffenden VZ, ggf zuzüglich des Zuwendungsvortrags aus dem vorangegangen VZ und den um die Beträge gemäß § 10 Abs 3 u 4 EStG, § 10c EStG u § 10d EStG verminderten Gesamtbetrag der Einkünfte. Durch den vorrangigen Abzug der vorgenannten Beträge vom Gesamtbetrag der Einkünfte wird sichergestellt, dass die Zuwendungen nicht zu einem negativen Einkommen führen (s BT-Drucks 16/5200, 26, 27). Zu den vorrangig abzuziehenden Beträgen gehören im Wege der teleologischen extensiven Auslegung auch die Beträge gemäß § 10b Abs 4a EStG, BMF v 18.12.2008, BStBl I 2009, 16 Tz 4c; Brandl in Brandis/Heuermann, § 10b EStG Rz 62 (Mai 2021).
Dass ein Zuwendungsrücktrag ausgeschlossen ist – § 10b Abs 1 S 10 EStG verweist ausschließlich auf § 10d Abs 4 EStG – begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, FG Münster v 27.08.2020, 5 K 3940/18, E, F, Rz 41 ff, 59 ff, Brandl in Brandis/Heuermann, § 10b EStG Rz 66 (Mai 2021).
Rn. 174
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Die Regelung über den Zuwendungsvortrag ermöglicht es dem StPfl, Zuwendungen, die sich in dem VZ der Zuwendung steuerlich nicht ausgewirkt haben, in dem nachfolgenden VZ steuermindernd zu nutzen. Überschreitet die Summe der Zuwendungen, die im nachfolgenden VZ erbracht wurde, zuzüglich des Zuwendungsvortrags auch im nachfolgenden VZ die Höchstbeträge und/oder den um die Beträge gemäß § 10 Abs 3 u 4 EStG, § 10c EStG § 10d EStG und 10b Abs 4a EStG verminderten Gesamtbetrag der Einkünfte des nachfolgenden VZ, wird der – neu berechnete – Zuwendungsvortrag in den übernächsten VZ vorgetragen. Der Umstand, dass sich eine sehr hohe Spende eines betagten StPfl auch im Wege des Zuwendungsvortrags zu dessen Lebzeiten möglicherweise nicht mehr in vollem Umfang einkommensteuerlich auswirken wird, rechtfertigt keinen Erlass der ESt aus sachlichen Billigkeitsgründen, BFH v 26.10.2011, X B 12/11, BFH/NV 2012, 215.
Besteht beim Tode des Erblassers noch ein gesondert festgestellter Zuwendungsvortrag, ist eine steuermindernde Nutzung durch den Erben nicht möglich. Da die Zuwendungen vom Erblasser und nicht vom Erben erbracht worden sind, ist Letzterer wirtschaftlich nicht belastet, BFH v 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608. Der Erbe kann deshalb den nicht verbrauchten Betrag einer Großspende des Erblassers nicht als eigene Spende abziehen, BFH v 21.10.2008, X R 44/05, BFH/NV 2009, 375.
Rn. 175
Stand: EL 159 – ET: 08/2022
Bei zusammen veranlagten Ehegatten/Lebenspartnern sieht § 10b EStG, mit Ausnahme der Regelung in § 10b Abs 1a EStG betreffend Spenden in das zu erhaltende Vermögen (Vermögensstock) einer Stiftung (ausführlich dazu s Rn 180ff), keine Verdoppelung der Abzugshöchstbeträge vor. Jedem Ehegatten/Lebenspartner steht der Abzugshöchstbetrag allein zu. Unterschreiten die Zuwendungen eines Ehegatten/Lebenspartners die für ihn ermittelten Höchstbeträge und/oder den um die Beträge...