Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Rn. 166
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Bei wiederkehrenden Bezügen ist grundsätzlich zwischen einer vollentgeltlichen, teilentgeltlichen und einer unentgeltlichen Übertragung zu unterscheiden. Zur Bewertung der Entgeltlichkeit ist darauf abzustellen, ob die Höhe der Bezüge nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen worden ist, also ob sich die Höhe des Entgelts nach wirtschaftlichen Aspekten bemisst. Dafür ist das Verhältnis zwischen dem Barwert der Bezüge und der übertragenen Beteiligung maßgebend.
- Ist der Barwert der wiederkehrenden Leistung überhöht, so stellt der den angemessenen Kaufpreis übersteigende Teil eine Zuwendung iSd § 12 Nr 2 EStG dar.
- Ist der Barwert der wiederkehrenden Leistung kleiner als der Wert der Anteile, so werden die wiederkehrenden Leistungen teilentgeltlich erbracht.
Nach der modifizierten Trennungstheorie ist eine teilentgeltliche Übertragung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen (s Rn 193). Unter fremden Dritten wird die kaufmännische Ausgewogenheit grundsätzlich vermutet (BFH vom 08.04.2014, IX R 4/13, BFH/NV 2014, 1201; BFH vom 07.03.1995, VIII R 29/93, BStBl II 1995, 693, 696).
Bei Übertragungen im Generationennachfolge-Verbund hingegen werden regelmäßig familiäre Gesichtspunkte zu Grunde gelegt, und es besteht eine widerlegbare Vermutung für eine unentgeltliche Übertragung (BMF vom 11.03.2010, BStBl I 2010, 227 Tz 5). In diesen Fällen liegt folglich keine Veräußerung iSd § 17 EStG vor; zu den Voraussetzungen für wiederkehrende Leistungen iRd vorweggenommenen Erbfolge (Geeb in Frotscher/Geurts, § 16 EStG Rz 55 (August 2020)).
Rn. 167
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Liegen die Vorrausetzungen für Entgeltlichkeit vor, hat der Veräußerer ein Wahlrecht zwischen der sofortigen Besteuerung im laufenden VZ der Gewinnentstehung und der nachträglichen Besteuerung, bei welcher das Zuflussprinzip für die entsprechenden Jahre wieder anzuwenden ist. Weitere Voraussetzungen für die nachträgliche Besteuerung sind allerdings, dass die Bezüge Versorgungscharakter haben und folglich für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren angelegt sind (BFH vom 20.07.2010, IX R 45/09, BStBl II 2010, 969).
Wird die Sofortversteuerung gewählt, bildet der Barwert der Rentenzusage den Veräußerungspreis. Vorteilhaft gegenüber der späteren Versteuerung ist die Nutzungsmöglichkeit des Freibetrags iSd § 17 Abs EStG (s Rn 283ff), welche bei der nachträglichen Besteuerung entfällt. Für die Berechnung des Barwertes sind die §§ 13ff BewG heranzuziehen. Entsprechend ist grundsätzlich von einem Zinsfuß von 5,5 % auszugehen, was einen höheren Zinssatz jedoch nicht ausschließt.
Die laufenden Zahlungen sind in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil aufzuteilen (BFH vom 17.12.1991, VIII R 80/87, BStBl II 1993, 15). Der Zinsanteil ist im Zeitpunkt des Zuflusses laufend unter § 20 Abs 1 Nr 7 EStG zu erfassen. Bei einer Leibrente gilt § 22 Nr 1 S 3 Buchst a EStG entsprechend.
Rn. 168
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Wird die nachträgliche Besteuerung gewählt, hat ebenfalls eine Aufteilung zu erfolgen. In diesem Fall werden die Zuflüsse in einen Tilgungs- und einen Ertrags-/Zinsanteil aufgespalten (BFH vom 26.11.1992, X R 187/87, BStBl II 1993, 298). Der Ertragsanteil ist nach § 22 EStG und der Zinsanteil nach § 20 EStG in voller Höhe steuerbar. Der Tilgungsanteil wird mit den AK und den Veräußerungskosten verrechnet.
Wenn der Tilgungsanteil die AK und Veräußerungskosten überstiegen hat, werden nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, welche entsprechend zu versteuern sind (BMF vom 11.03.2010, BStBl I 2010, 227 Tz 74). Das Teileinkünfteverfahren findet Anwendung.
Beispiel:
A hält 40 % an der M-GmbH. Diese zum PV gehörende Beteiligung veräußert er zum 01.01.2022 an B. Dafür erhält er von B eine lebenslange Rente iHv EUR 1 000 pro Monat. Zum Zeitpunkt der Veräußerung ist A bereits 50 Jahre alt. Der Barwert der Rente beträgt EUR 80 000. Die AK für die Beteiligung betrugen EUR 20 000.
Lösung:
A hat bezüglich der Besteuerung nun ein Wahlrecht, ob er eine sofortige oder laufende Besteuerung wählt.
- Sofortige Besteuerung: Bei der sofortigen Besteuerung gemäß § 17 EStG beträgt der Gewinn vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens EUR 60 000 (EUR 80 000 ./. EUR 20 000). Grds könnte der Freibetrag des § 17 Abs 3 EStG im Abzug gebracht werden; dieser greift hier aufgrund der Höhe des Veräußerungsgewinns jedoch nicht. Dementsprechend sind nach dem Teileinkünfteverfahren EUR 36 000 als Besteuerungsgrundlage zu erfassen. Die Rente des A wird entsprechend gemäß § 22 S 1 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG mit dem Ertragsanteil angesetzt. Dieser beträgt gemäß § 22 S 1 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst bb S 4 EStG 30 %.
- Laufende Besteuerung: A kann den Gewinn gemäß § 24 Nr 2, §§ 17, 15 EStG als laufenden Gewinn versteuern, soweit die AK überschritten wurden. Dann sind von Beginn an 30 % der monatlichen Rate (30 % von EUR 1 000 x 12 = EUR 3 600 pro Jahr) zu versteuern. Der Tilgungsanteil beträgt 70 % von EUR 80 000 (= EUR 56 000).
Er...