I. Gegenstand der Vorschrift
A. Inhalt der Vorschrift
Rn. 1
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
In § 22 EStG sind die sonstigen Einkünfte geregelt. Neben den sechs anderen Einkunftsarten (vgl § 2 Abs 1 Nr 1–6 EStG) handelt es sich insoweit um die siebte und damit letzte Einkunftsart (vgl § 2 Abs 1 Nr 7 EStG). Sie ergänzt die anderen Einkunftsarten. Fallen Einkünfte unter keine der genannten Einkunftsarten, sind sie nicht steuerbar.
Die Vorschrift des § 22 EStG umfasst – seit der Streichung der § 22 Nr 1b u 1c EStG, s Rn 26 – nunmehr 6 abschließende Besteuerungstatbestände, die systematisch wenig Bezug zueinander haben und nicht durch einzelne gemeinsame Merkmale miteinander verbunden sind. Anders als bei den anderen Einkunftsarten fließen die sonstigen Einkünfte daher nicht aus einer Einkunftsquelle. Zu den sonstigen Einkünften gehören
Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass iRd § 22 EStG Rentenbezüge, Transferbezüge (nach Maßgabe des Korrespondenzprinzips) sowie Leistungsbezüge (Veräußerungserlöse, sonstige Leistungen und Abgeordnetentätigkeit) besteuert werden.
B. Persönlicher Anwendungsbereich
Rn. 2
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
§ 22 EStG findet in persönlicher Hinsicht Anwendung auf alle nach § 1 EStG unbeschränkt estpfl natürlichen Personen. Für beschränkt StPfl greift § 22 EStG nur, soweit die sonstigen Einkünfte inländische Einkünfte iSd § 49 Abs 1 Nr 7–10 EStG darstellen.
Kstpfl Steuersubjekte können zwar grds Einkünfte gemäß § 22 EStG erzielen, gemäß § 8 Abs 2 KStG sind jedoch alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
C. Subsidiarität und Verhältnis zu anderen Vorschriften
1. Grundsatz
Rn. 3
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Die sonstigen Einkünfte sind gegenüber allen anderen Einkunftsarten grds subsidiär. § 22 EStG ist insofern ein Ersatztatbestand, der nur Anwendung findet, wenn die §§ 13–21 EStG nicht einschlägig sind. Für die wiederkehrenden Bezüge ergibt sich dies aus § 22 Nr 1 S 1 EStG, für die sonstigen Leistungen aus § 22 Nr 3 S 1 EStG und für die privaten Veräußerungsgeschäfte aus § 22 Nr 2 EStG iVm § 23 Abs 2 S 1 EStG.
Wegen ihres speziellen Regelungscharakters sind allerdings die Vorschriften in § 22 Nr 1a, 4 u 5 EStG gegenüber den Einkunftsarten nach § 2 Abs 1 Nr 1–6 EStG nicht subsidiär.
Rn. 4
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Innerhalb der Besteuerungstatbestände des § 22 EStG haben die Nr 1, 1a, 2 und 4 gegenüber den sonstigen Leistungseinkünften (§ 22 Nr 3 EStG) Vorrang (Lindberg in Frotscher, § 22 EStG Rz 165 (Dezember 2018)). Die Nr 5 ist zwar in § 22 Nr 3 S 1 EStG nicht erwähnt. Dennoch erscheint aufgrund der darin enthaltenen speziellen Regelungen auch insoweit die Anwendung des § 22 Nr 3 EStG ausgeschlossen, sofern eine Konkurrenz in der Praxis überhaupt vorkommen kann.
2. Verhältnis zu anderen Einkunftsarten
a) Abgrenzung gegenüber betrieblichen Einkünften
Rn. 5
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Ein nicht unbedeutender Bereich von Einkünften, die nicht unter § 22 Nr 1 EStG fallen, sind die betrieblich veranlassten wiederkehrenden Bezüge. Als solche kommen zB nachträgliche Einkünfte (vgl § 24 Nr 2 EStG) aus LuF, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit in Betracht. Diese sind den betreffenden Einkunftsarten (§§ 13, 15, 18 EStG) zuzuordnen. Dementsprechend erfasst § 22 EStG nur private wiederkehrende Bezüge.
Zu den betrieblichen Einkunftsarten zählen zB Veräußerungsrenten, die als Gegenleistung für die Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils erzielt werden. Sind Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen, erzielt der Veräußerer einen nach §§ 14, 16 o 18 Abs 3 EStG steuerbaren betrieblichen Veräußerungsgewinn. Die Anwendung der Vorschriften in § 22 Nr 1 oder 1b EStG aF war dadurch ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung von Eltern auf ihre Kinder erfolgt, da bei Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung eine ansonsten bestehende Vermutung für das Vorliegen eines Versorgungsbedürfnisses und damit die Annahme einer nach § 22 Nr 1b EStG aF steuerbaren Versorgungsrente widerlegt ist (vgl BFH BStBl II 2011, 261; 1992, 465; 1990, 847).
Sofern in derartigen Fällen als Entgelt eine (wagnisbehaftete) Leibrente vereinbart wurde, hat der Veräußerer die Möglichkeit, das Wahlrecht nach R 16 Abs 11 EStR 2012 (einerseits die tarifbegünstige Sofortbesteuerung, andererseits die nicht tarifbegünstigte Besteuerung der laufenden Einnahmen als nachträgliche BE iSd § 24 Nr 2 EStG nach Verrechnung der in den Renten enthaltenen Kapitalanteile mit dem steuerlichen Kapitalkonto) in...