Rn. 38
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Die Entschädigungen iSd § 24 Nr 1 Buchst a EStG sind von der Zielrichtung her eher vergangenheitsorientiert. Sie leisten Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen aus einem früheren Rechtsverhältnis. Nach der neueren Rspr des BFH kann das Rechtsverhältnis allerdings auch fortbestehen, wenn es nach Vertragsänderungen, denen der StPfl in Zwangssituationen zugestimmt hat, zu Teilabfindungen kommt (s Rn 24).
Im Gegensatz dazu sind Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit und für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche (§ 24 Nr 1 Buchst b EStG) zukunftsorientiert. Sie werden zweckgerichtet "für" den Verzicht des StPfl auf eine erst zu erwartende Einkünfteerzielung geleistet.
Rn. 39
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Tatbestandsmäßig ist Voraussetzung, dass der StPfl an dem Verzicht der Erzielung von Einnahmen mitwirkt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung. Es muss eine "Aufgabe" oder "Nichtausübung" einer Tätigkeit oder Gewinnbeteiligung vorliegen. Die Tätigkeit oder die Gewinnbeteiligung muss deshalb mit Wollen und Zustimmung des Betroffenen aufgegeben oder nicht ausgeübt werden. Deshalb stellt etwa die Zahlung des Kapitalwerts von Pensionsansprüchen an einen ArbN nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den ArbG aus Rationalisierungsgründen keine Entschädigung iSv § 24 Nr 1 Buchst b EStG dar (BFH vom 30.01.1991, XI R 21/88, BFH/NV 1992, 646).
Dabei muss der StPfl – im Gegensatz zur Entschädigung nach § 24 Nr 1 Buchst a EStG – nicht in einer Zwangslage gehandelt haben. Er muss nicht unter tatsächlichem, rechtlichem oder wirtschaftlichem Druck gestanden haben. Er kann vielmehr freiwillig und auch auf eigene Initiative auf die Erzielung von Einnahmen verzichten. Deshalb ist etwa die Abfindung, die ein ArbN erhält, der freiwillig eine arbeitsvertragliche Option nutzt, bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, als Entschädigung iSd § 24 Nr 1 Buchst b EStG einzuordnen (BFH vom 08.08.1986, VI R 28/84, BStBl II 1987, 106).
Rn. 40
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Die Gründe des StPfl für den Verzicht auf eine Einkünfteerzielung sind unerheblich. Im Regelfall wird auch der Leistende ein rechtliches, wirtschaftliches oder sonstiges eigenes Interesse an der Aufgabe oder Nichtausübung der Einkünfteerzielung durch den Empfänger haben (s BFH vom 27.11.1991, X R 10/91, BFH/NV 1992, 455). In der Rspr des BFH und nach der hA im Schrifttum ist ein Interesse des Leistenden sogar Voraussetzung für die Annahme einer Entschädigung iSd § 24 Nr 1 Buchst b EStG (BFH vom 28.02.2002, IV R 64/00, BStBl II 2002, 658; Ferstl in Frotscher/Geurts, § 24 EStG Rz 46 (April 2023); Füssenich in K/S/M, § 24 EStG Rz B 56 mwN (März 2022)).
Dem ist zuzustimmen. Aus dem Wort "für" in der Vorschrift ist zu schließen, dass ein kausaler und finaler Zusammenhang zwischen der Aufgabe der Einkünfteerzielung und der Zahlung der Entschädigung bestehen muss. Beide müssen sich als Leistung und Gegenleistung in einer synallagmatischen Verknüpfung gegenüberstehen, wobei die Entschädigung auch Gegenstand einer vertraglichen Hauptleistungspflicht sein kann, zB für ein Wettbewerbsverbot (s BFH vom 12.06.1996, XI R 43/94, BStBl II 1996, 516).
Dem Interesse des Zahlungsempfängers muss ein Interesse des Leistenden korrespondieren. Die Entschädigung muss zumindest durch sein Interesse mit veranlasst sein (BFH vom 28.02.2002, IV R 64/00, BStBl II 2002, 658). Wenn dies nicht der Fall ist, fehlt es an dem erforderlichen kausalen und finalen Zusammenhang.
Das Interesse des Leistenden kann aber jedweder Art sein (Schiessl in Brandis/Heuermann, § 24 EStG Rz 51b (Februar 2023)). Es braucht insbesondere nicht allein wirtschaftlich begründet zu sein. So kann etwa die Ausräumung einer rechtlichen Unsicherheit über die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses ein Interesse des ArbG begründen, mit dem ArbN einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung für die Aufgabe der Tätigkeit des ArbN zu schließen.
Ein Interesse des Leistenden an der Nichtausübung der Tätigkeit fehlt zB dann, wenn eine Vertragsstrafe für eine nicht zustande gekommene Bürogemeinschaft gezahlt wird (FG He vom 27.06.2012, 11 K 459/07, EFG 2013, 37).
Rn. 41
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Die Entschädigung braucht – anders als in den Fällen des § 24 Nr 1 Buchst a EStG – nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage zu beruhen. Diese wird bei den Entschädigungen iSv § 24 Nr 1 Buchst a EStG gefordert, um Ersatzleistungen von vertraglichen Erfüllungsansprüchen abzugrenzen. Bei den Entschädigungen iSv § 24 Nr 1 Buchst b EStG ist eine solche Abgrenzung im Regelfall nicht erforderlich. Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit oder für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung bzw einer Anwartschaft daran können regelmäßig keine Erfüllungsleistungen eines bestehenden Rechtsverhältnisses sein (s Ferstl in Frotscher/Geurts, § 24 EStG Rz 47 (April 2...