Rn. 10
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Seit Einführung des Splitting-Verfahrens musste sich das BVerfG mehrfach mit der geltenden Regelung im Speziellen sowie mit der Familienbesteuerung im Allg beschäftigen. Gegenstand der Prüfung waren insb:
- unterschiedliche Besteuerung dauernd getrennt lebender oder geschiedener und nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten
- höhere Besteuerung alleinerziehender Elternteile
- Ungleichbehandlung von Verheirateten und Nichtverheirateten bei Kindererziehung
- Benachteiligung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft.
Rn. 11
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Die unterschiedliche Besteuerung dauernd getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten und Ehegatten in intakter Ehe – jeweils ohne Kinder – wurde vom BVerfG mehrfach nicht beanstandet, vgl BVerfG v 16.10.1984, 1 BvR 1021/83, INF 1985, 358 u BVerfG v 15.07.1987, 1 BvR 54/87, HFR 1988, 242. Die Überprüfung betraf insb die Frage, ob die unterschiedliche Besteuerung dauernd getrennt lebender und nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten verfassungsrechtlich unbedenklich ist, da Art 6 GG die Ehe schlechthin unter ihren Schutz stellt.
Dazu führen die Gerichte zutr aus, dass die Beschränkung der Ehegattenbesteuerung und die Anwendung des günstigen Splittingverfahrens auf nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten auf deren Behandlung als eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs beruht und insofern eine an dem Schutzgebot des Art 6 Abs 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art 3 Abs 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung ermöglicht. Dagegen knüpft die Einzelveranlagung dauernd getrennt lebender Ehegatten daran an, dass die Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs aufgehoben ist. Hierin liegt keine Benachteiligung dauernd getrennt lebender Ehegatten schlechthin, sondern eine an die ihrer Natur nach unterschiedlichen Lebenssachverhalten anknüpfende sachgerechte Regelung.
Der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterhaltsverpflichteter dauernd getrennt lebender Ehegatten wird mit dem sog Realsplitting nach § 10 Abs 1 Nr 1 EStG und der begrenzten Abzugsfähigkeit von Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs 1 EStG in hinreichendem Maße Rechnung getragen; vgl auch Ausführungen von Nacke (s § 32a Rn 34–37).
Rn. 12
Stand: EL 137 – ET: 08/2019
Dagegen hat das BVerfG in seinem sog Alleinerziehenden-Urt (BVerfG v 03.11.1982, BStBl II 1982, 707) infolge der Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuungskosten die höhere Besteuerung alleinerziehender Elternteile gegenüber den in den Genuss des Splitting-Verfahrens kommenden nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten mit Kind(ern) wegen Verstoßes gegen Art 3 u 6 GG für verfassungswidrig erklärt. In diesem Urt macht das BVerfG seine Auffassung zum Splittingverfahren deutlich, das dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspricht und keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung sei, sondern eine im Einklang mit Art 6 GG stehende sachgerechte Besteuerung von Ehegatten.
Unzutreffend in der Urteilsbegründung ist mE aber der sachliche Zusammenhang, der zwischen dem Splittingverfahren und den Kinderbetreuungskosten in der Weise hergestellt wird, dass in der steuerlichen Entlastung durch das Splittingverfahren ein Ausgleich für die Kinderbetreuungskosten gesehen wird, vgl auch Seer/Wendt, NJW 2000, 1904. Das Splittingverfahren ist keine steuerliche Entlastung für Kinderbetreuungskosten, sondern soll die steuerlichen Nachteile der Zusammenveranlagung von Ehegatten abmildern, so auch Schön, DStR 1999, 1677.
Als Reaktion auf die Entscheidung des BVerfG BStBl II 1982, 707 hat der Gesetzgeber den Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs 7 EStG aF, aufgehoben ab VZ 2004) eingeführt und den Abzug von Kinderbetreuungskosten zugelassen (§ 33c EStG aF, aufgehoben ab VZ 2006), allerdings nicht für zusammenveranlagte Ehegatten. Dabei kann es bei etwa gleich hohem Einkommen beider Ehegatten (Elternteile) durch die verschiedenen zusätzlichen kindbedingten Steuererleichterungen im Falle der Durchführung von Einzelveranlagungen insgesamt zu einer niedrigeren ESt kommen als bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten mit Kind(ern).
Rn. 13
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Die durch das BVerfG BStBll1 1982,707 geschaffene Gesetzeslage führte zur Diskriminierung der Ehe (mit Kindern) gegenüber dem vergleichbaren Sachverhalt einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Kindern. Diese Ungleichbehandlung von Verheirateten und Nichtverheirateten bei Kindererziehung war ua Gegenstand des "Kinderbetreungskosten-Beschlusses" des 2. Senats des BVerfG v 10.11 .1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 182. Das BVerfG erklärte die Regelungen des § 33c Abs 1–4 EStG u § 10 Abs 7 EStG für verfassungswidrig und hat dem Gesetzgeber aufgetragen, die Ungleichbehandlung ab VZ 2000 hinsichtlich des Betreuungsbedarfs und ab VZ 2002 hinsichtlich des Erziehungsbedarfs zu regeln. Die bisher vom BVerfG BStBl lI 1982, 707 vertretene und vom Gesetzgeber (vgl BT-Drucks 10/2884, 96) übernommene Auffassung, dass die Ent...