Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1541
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Für den erneuten Richtungswechsel des Gesetzgebers ab 2001 ist eine steuersystematische Begründung nicht ganz einfach zu finden. Die generelle Bezugnahme auf die Entstrickungstheorie (s Rn 1514), also das Verhaftetbleiben der stillen Reserven in einem (anderen) BV und damit der späteren steuerlichen Erfassung durch den deutschen Fiskus offen stehend, greift zu kurz; mit diesem Argument könnte auch ohne weiteres die Einbringung aus einem einkommensteuerlichen BV in ein solches einer KapGes begründet werden, für das traditionell (jetzt durch § 6 Abs 6 S 1 und 2 EStG geregelt, s Rn 1561) eine steuerneutrale Einbringung von Einzel-WG nicht als zulässig gilt.
Auch das "unsystematische" Argument der Förderungswürdigkeit des Mittelstandes ist widerlegbar, denn auch mittelständische Wirtschaftsstrukturen sind keineswegs nur in der Rechtsform der PersGes anzutreffen, die GmbH ist dort ebenfalls häufig vertreten.
Auch ein Analogieschluss zu § 24 UmwStG ist schwer begründbar, wenn man die systematische Trennung des Transfers von Sachgesamtheiten und Einzel-WG nicht aufgeben will (s Rn 1530). Bleibt als Begründung noch der Hinweis auf die fehlende Liquidität zur Steuerzahlung, doch das gilt eben auch bei einer Einlage in KapGes. Und letzterem Vergleich kann man wiederum nicht die eigene Steuerrechtssubjektivität entgegenhalten, denn diese ist im Fall S 3/3 in der Skizze s Rn 1512 ebenfalls kein Grund zur Versagung der Buchwertübertragung. Letztlich bleibt dann nur die Berufung auf das Rechtsinstitut der Gesamthand, die es dem Gesellschafter erlaube, seine Sachherrschaft am WG in Form der Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen auszuüben (BFH BStBl II 1976, 748; BFH BStBl II 1986, 333).
Rn. 1542
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Anders als bei Einbringungen aus dem PV (s Rn 1156f) ist es bezüglich des Buchwertansatzes unerheblich, ob die Einbringung "entgeltlich" gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten oder in die sog gesamthänderisch gebundene Kapitalrücklage ("unentgeltlich") erfolgt. Die sonst erforderliche Analyse der Konteninhalte, die regelmäßig für die Gesellschafter geführt werden, ist wegen des Buchwertzwanges nicht erforderlich (s Rn 1157).
Andererseits ist bei Gegenbuchung des Einbringungssubstrats auf einem Darlehenskonto des Gesellschafters ein entgeltliches Geschäft mit Gewinnrealisierung anzunehmen. Dabei ist auf die Kontenbezeichnung nicht abzustellen, sondern auf den Inhalt (Ley, KÖSDI 2009, 16 679):
- Werden Verluste auf dem Konto verbucht, liegt ein Kapitalkonto (EK-Konto) vor.
- Die Verzinslichkeit besagt nichts über den Konteninhalt.
- Die buchmäßige Erfassung von Gewinnen, Entnahmen und Einlagen spricht für ein Kapitalkonto (EK).
Zur Interpretation des Kontencharakters (EK oder FK der Gesellschaft) hat sich der BFH v 16.10.2008, IV R 98/06, BStBl II 2009, 272 ausführlich befasst (s dazu ausführlich Zimmermann/Dorn/Wrede, NWB 2021, 345). Besonders problematisch stellt sich dabei das Kapitalkonto II dar, das idR die "Festigkeit" des Kapitalkontos I ("Festkapital") gerade konterkariert. Hier kann entgegen der Bezeichnung ein Darlehen des Gesellschafters vorliegen mit Steuerfolgen iRd § 15a EStG (s § 15a Rn 6 (Bitz)).
Darüber hinaus hat sich der BFH v 29.07.2015, IV R 15/14, BStBl II 2016 und BFH v 04.02.2016, IV R 46/12, BStBl II 2016, 607 ausführlich mit dieser Frage beschäftigt und dabei der bisherigen Auffassung der FinVerw (BMF v 11.07.2011, BStBl I 2011, 713) zum Teil widersprochen, dass die Einbringung eines WG durch den Gesellschafter einer PersGes gegen Gutschrift eines Betrags ausschließlich auf dem sog Kapitalkonto II als entgeltlicher Vorgang (und damit nicht als Einlage) anzusehen ist. Einbringungen in PersGes gegen Buchung auf einem Gesellschafterkonto stellen nach Auffassung des BFH nur dann entgeltliche Vorgänge dar und führen folglich nur dann zur Gewährung von Gesellschaftsrechten, wenn ein Kapitalkonto angesprochen wird, nach dem sich die maßgebenden Gesellschaftsrechte, insb das Gewinnbezugsrecht, richten (das ist idR das Kapitalkonto I). Danach führt jedenfalls die ausschließliche Buchung auf dem Kapitalkonto II, sofern dieses keine Gesellschaftsrechte gewährt, nicht zu einem entgeltlichen Vorgang und damit nicht zur Gewährung von Gesellschaftsrechten, sondern ist als Einlage zu behandeln. Klarstellend hat der BFH mit Urt BFH v 23.03.2023, IV R 2/20, BStBl II 2023, 999 zu sog Mischfällen entschieden. Danach liegt bei Erfassung auch auf dem Kapitalkonto I, welches Gesellschaftsrechte vermittelt, und dem Kapitalkonto II, das solche nicht vermittelt, insgesamt ein entgeltlicher Vorgang vor (s Dorn/Niesmann, Ubg 2023, 359, zu weiteren Einzelheiten s Rn 1157).