Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1301
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Sonderregelungen über die Bewertung von geringerwertigen WG des AV enthält § 6 Abs 2 und Abs 2a EStG (auch geringwertige Anlagegüter). WG, auf welche diese Regelungen Anwendung finden, werden als GWG bezeichnet. Namentlich sind dies alle abnutzbaren beweglichen WG des AV (s Rn 1322), die einer selbständigen Nutzung fähig sind (s Rn 1330), und deren AK oder HK um den darin enthaltenen Vorsteuerbetrag (§ 9b Abs 1 EStG), oder der nach Abs 1 Nr 5 bis 6 an deren Stelle tretende Wert (sog Einlagewerte, s Rn 1341) für das einzelne WG die in den Regelungen genannten Wertgrenzen (s Rn 1345 und 1362) nicht übersteigt.
Hierzu auch s Krumm in Brandis/Heuermann, § 6 EStG Rz 1600ff (05/2023); Dreixler in H/H/R, § 6 EStG Rz 1000ff (08/2021).
Rn. 1302
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
§ 6 Abs 2 EStG geht zurück auf das EStG 1934. Die Wertgrenze von DM 800 (bis 2007 EUR 410; ab 2008 Zugang am 01.01.2008–31.12.2009 EUR 150, ab 01.01.2010 wieder EUR 410, s Rn 1309) ist durch das StÄndG 1964 festgelegt worden. Materiell wurde die Bewertungsgrenze indirekt dadurch modifiziert, dass die ab 1968 im Anschaffungspreis uU enthaltene Vorsteuer nicht in die Wertgrenze einzubeziehen ist, und zwar unabhängig von der Abzugsfähigkeit als Vorsteuer bei der USt-Schuld.
Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassung v 27.06.2017 (BGBl I 2017, 2074) wurde die Wertgrenze ab VZ 2018 auf EUR 800 erhöht. Ebenfalls erhöht wurden die Betragsgrenzen von EUR 150 auf EUR 250 für die Poolabschreibung (Sammelposten) nach § 6 Abs 2a EStG.
Die Anpassung der Wertgrenze des § 6 Abs 2 S 4 EStG hinsichtlich der Notwendigkeit der Führung eines Verzeichnisses wurde durch das Zweite BürokratieentlastungG v 30.06.2017 (BGBl I 2017, 2143) ebenfalls von EUR 150 auf EUR 250 angehoben. Ebenso ist eine entsprechende Anhebung der Wertgrenze von EUR 410 auf EUR 800, wonach Computerprogramme wie Trivialprogramme zu behandeln sind, erfolgt (s amtliche Anmerkung (Fn zu R 5.5 Abs 1 S 3 EStR 2012): bei Anschaffung ab dem 01.01.2018).
Dazu hatte der Parlamentarische Staatssekretär zuvor ausgeführt, dass die in R 5.5 Abs 1 S 3 EStR 2012 genannte Grenze für die Behandlung von Computerprogrammen wie Trivialprogramme iRd nächsten Überarbeitung der EStR angehoben werden (durch amtliche Anmerkung inzwischen aufgrund Gesetz v 27.06.2017, BGBl I 2017, 2074, erfolgt) und der Sammelposten in § 6 Abs 2a EStG (Poolabschreibung) seinerzeit zur Bürokratieentlastung eingeführt wurde und diese Möglichkeiten für den StPfl erhalten bleiben soll. So soll für die einem Sammelposten zugeführten WG, deren AK zwar EUR 250 (ab 2018), nicht aber EUR 1 000 übersteigen, keine Verpflichtung zur Aufnahme in ein laufend zu führendes Verzeichnis bestehen. Im Übrigen umfasst der Sammelposten auch WG, die zwar die Grenze für den Sofortabzug GWG von EUR 800, nicht aber EUR 1 000 übersteigen (vgl BT-Drs 18/12750 v 16.06.2017, Antwort auf Frage 30).
Zur Rechtsentwicklung im Einzelnen s Dreixler in H/H/R, § 6 EStG Rz 1000ff (08/2021), zur geänderten Rechtslage ab 2008 bzw ab 2010 s Rn 1100.
Hinweis: Die im Referentenentwurf v 14.07.2023 zum Wachstumschancengesetz vorgesehene Erhöhung der betragsmäßigen Grenze des § 6 Abs 2 S 1 EStG ab 2024 auf EUR 1 000 hat sich im späteren Vermittlungsverfahren zum Wachstumschancengesetz nicht durchgesetzt, so dass im Ergebnis die GWG-Grenze von EUR 800 bestehen bleibt.
Rn. 1303
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
§ 6 Abs 2 EStG beinhalt ein Wahlrecht für den StPfl. Bei Ausübung ist die Rechtsfolge der sofortige BA-Abzug des zu aktivierenden Zugangswertes eines einzelnen (sog) GWG als BA im Jahre des Zugangs (auch als Sofortabschreibung bezeichnet). Bei Nichtausübung dieses Wahlrechts (s Rn 1351) ist die Regelabschreibung nach § 7 EStG vorzunehmen, dh, die AK bzw HK oder der Einlagewert wird über die betriebliche Nutzungsdauer verteilt, eine Nachholung der Sofortabschreibung in Folgejahren kommt nicht in Betracht.
Zu berücksichtigen gilt, dass das Wahlrecht auch lediglich für einen Teil der GWG-Zugänge eines Jahres in Anspruch genommen werden kann. Die Bewertungsvorgaben nach § 6 Abs 2 EStG gehen den Abschreibungsregeln nach § 7 EStG vor, nicht dagegen den Regeln über die Teilwertabschreibung (Letzteres allerdings ohne nennenswerte praktische Bedeutung).
Rn. 1304
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Sinn und Zweck der Regelung stellt die Vereinfachung, und zwar für StPfl und FinVerw gleichermaßen, dar. Damit geht bewusst eine Erweiterung der Abschreibungsmöglichkeiten über § 7 EStG hinaus einher (§ 6 Abs 2 und 2a EStG als Sondernormen zu den allg Abschreibungsregelungen).
Handelsrechtlich wird der so eröffneten buchmäßigen Behandlung von AV in aller Regel gefolgt; die Begründung kann im Bereich eines ungeschriebenen GoB gefunden werden oder aber im Materiality-Gedanken. Bewertungstechnisch kann die Rechtsnorm als eine Art Gruppenbewertung (s Rn 90) oder auch als eine Festbewertung (mit Null, wenn von der Abschreibungsmöglichkeit Gebrauc...