Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 165
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Unter den Anschaffungsnebenkosten sind alle anschaffungsbezogenen (keine Gemeinkosten) Aufwendungen zu erfassen, die neben dem eigentlichen Kaufpreis (Tauschwert) anfallen. Soweit sie extern anfallen, dienen sie der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht. Die internen (innerbetrieblichen) Nebenkosten der Anschaffung dienen der Herstellung der Betriebsbereitschaft (s Rn 170).
Der Gesetzeswortlaut in § 255 Abs 1 S 1 HGB verbietet ausdrücklich die Einbeziehung von Gemeinkosten in die AK ("einzeln zugeordnet werden können"). Diese Gesetzesformulierung entspricht nicht der Vorgabe der 4. EG-Richtlinie (s Rn 150). Sie hat vielmehr ihren Ursprung in der Zielsetzung der steuerneutralen Transformation der EG-Richtlinie und bezieht sich offensichtlich auf das sog Transportkosten-Urt des BFH BStBl II 1968, 22. Gemeinkosten, also solche Kosten, die nur durch bestimmte Annahmen im Wege der sog Schlüsselung einzelnen WG zugeordnet werden können, sind also v AK-Begriff ausgeschlossen. Das bedeutet allerdings wiederum nicht, dass nur wegen unterbliebener Kostenzuordnung eine Aktivierung als Anschaffungsnebenkosten ausscheidet (zB zwei WG werden durch einen Transportvorgang bewegt).
Zu weit geht allerdings die (instruktiv belegte) These von Saure (StBp 2002, 285; StBp 2007, 47), demzufolge der Kostenblock für die sog neue Logistik der Warenbeschaffung den AK des Vorratsvermögens von Filial-Einzelhandelsunternehmen zugeordnet werden könne. Der entscheidende Begriff in der Analyse von Saure ist die Einzelzuordenbarkeit dieser Logistik-Kosten. Er setzt sich über das Transportkosten-Urt des BFH wegen der Zulässigkeit von Bewertungseinheiten (s Rn 74) hinweg. Dem ist entgegenzuhalten:
- Der BFH hat dem Inhalt des Transportkosten-Urt (BFH BStBl II 1968, 22) bislang nicht widersprochen, ebenso wenig die FinVerw.
- Der Einzelbewertungsgrundsatz nach § 252 Abs 1 Nr 3 HGB wird v BFH in Sonderfällen der Bewertung durch die Bildung der genannten Bewertungseinheiten durchbrochen. Für Anschaffungsvorgänge hat der BFH dies nicht so beurteilt.
- Im Gegensatz zu anderen Bewertungsvorschriften wird v Gesetz im Zusammenhang mit der AK-Definition (s oben) der Einzelbewertungsgrundsatz besonders herausgestellt.
- Im Gegensatz zum AK-Begriff werden bei der Definition der HK die Gemeinkosten (§ 255 Abs 2 HGB) eigens aufgeführt.
Wenn man allerdings als Einzelkosten auch die sog unechten Gemeinkosten versteht, lässt sich deren Aktivierbarkeit – gerade bei den im Einzelhandel dominierenden supply chain (Hersteller bis Endkunde umfassende Lieferkette) – vertreten (dazu nochmals aus Sicht der Bp Saure, StBp 2013, Heft 9 und 10).
Rn. 166
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Bei den (externen) Nebenkosten des Erwerbs kann man differenzieren zwischen solchen, die aufgrund der Erwerbsentscheidung, aber noch vor dem eigentlichen Erwerb anfallen (sog vorweggenommene AK), und solchen, die im Zusammenhang mit der Verschaffung der Verfügungsmacht entstehen. Nicht zu den Erwerbsnebenkosten gehören dagegen Aufwendungen, die vor der Erwerbsentscheidung, also zu deren Vorbereitung bzw Ablehnung, anfallen (Bsp: Marktstudien, Bewertungsgutachten); hM zB A/D/S, § 255 Rz 22, 6. Aufl; Ellrott/Schmidt-Wendt in Beck-BilKo, § 255 HGB Rz 71 (13. Aufl). Aus diesem Grund sind auch Aufwendungen im Vorfeld eines Unternehmenserwerbs – sog due diligence – keine AK (Engler, BB 2006, 747), weil diese vor der Erwerbsentscheidung durchgeführt werden und damit lediglich der Entscheidungsfindung dienen (vgl hinsichtlich der Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen, Due Diligence FG Köln v 06.10.2010, 13 K 4188/07, EFG 2011, 264 sowie dazu ausführlich Prinz/Ludwig, DB 2018, 213ff sowie zu Transaktionskosten im Steuerrecht Scheifele, UbG 2018, 129ff).
Die hM wird bestätigt – AK nur nach Erwerbsentscheidung – durch BFH v 20.04.2004, VIII R 4/02, BStBl II 2004, 597 sowie BFH v 27.03.2007, VIII R 62/05, BStBl II 2010, 157, in welchem der BFH die Aufwendungen für ein dem Erwerbsvorgang vorgeschaltetes Bewertungsgutachten auf Veranlassung der den Erwerb finanzierenden Bank bereits als AK gewürdigt hat. Diese Wertung setzt voraus, dass "grundsätzlich" die Erwerbsabsicht schon im frühestmöglichen Zeitpunkt unterstellt wird, was nach Auffassung von Hoffmann und Adolf der Praxis von Unternehmenserwerben widerspricht (Hoffmann, GmbHR 2007, 782; Adolf, BB 2007, 1537). Nach ihrer Auffassung lagen daher im Streitfall Finanzierungskosten vor (s Rn 169). Zu berücksichtigen ist, dass sog vergebliche Ausgaben nicht als AK aktivierbar sind. Unternimmt jemand im Interesse des Erwerbs eines WG zB eine Reise, ohne dass es danach zum Erwerb des WG kommt, stellen diese Aufwendungen (hier zB die Reisekosten) keine AK dar, sondern werden als Aufwandsposition behandelt (zB BFH BStBl II 1992, 819).
UE gilt jedenfalls: Aufwendungen, die der Entscheidungsfindung dienen, stellen keine Anschaffungsnebenkosten dar (so auch Lohmann/v. Goldacker/Achatz, BB 2008, 1592, die das zitie...