Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 195
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Hierzu auch s §§ 4,5 Rn 466 (Hoffmann).
Nach § 515 BGB gelten für Tauschvorgänge die Vorschriften des Kaufrechts. So gesehen liegt es nahe, in einem Tauschgeschäft ebenfalls einen Anschaffungsvorgang zu sehen. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch im Falle einer anderen Rechtskonstruktion mit gleichem wirtschaftlichem Ergebnis, nämlich beim sog "Doppelkauf"; dabei werden zwei Kaufverträge zwischen identischen Personen über unterschiedliche WG geschlossen und die jeweiligen Kaufpreisverpflichtungen gegeneinander aufgerechnet. Auf s Rn 1791 ff wird verwiesen.
Rn. 196
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Das bilanzrechtliche Problem des Tausches besteht in dem damit für die Tauschpartner (möglicherweise) verbundenen Realisationstatbestand (s §§ 4,5 Rn 455ff (Briesemeister)), mit der Folge einer Auflösung von ggf vorhandenen stillen Reserven (Gewinnrealisierung). Handelsrechtlich wird eine Gewinnrealisierung nicht für zwingend angesehen. Es werden die drei Bilanzierungsmethoden für zulässig erachtet (A/D/S, § 255 HGB Rz 89ff (6. Aufl)):
- strenge Buchwertfortführung,
- Gewinnrealisierung,
- ergebnisneutrale Behandlung.
Die letztgenannte Behandlung führt zu einer Gewinnrealisierung in dem Umfang, der die Ertragsteuerbelastung aus dem Vorgang neutralisiert. Die erstgenannte Methode führt zu keiner Gewinnrealisierung.
Als Begründung für das (handelsrechtliche) Wahlrecht zwischen Buchwertfortführung und Realisation wird vorgetragen (vgl Lüdenbach/Freiberg, DB 2011, 2702):
- Durch den Tausch flösse keine Liquidität zum Konsum via Gewinnausschüttung zu (Wassermeyer, Jb DStJG 1984, 177).
- Beim Tausch fehle es "häufig" an einer Umsatzabsicht (zB Schubert/Hutzler in Beck-BilKo, § 255 Tz 40 (13. Aufl)).
Dem erstgenannten Argument ist entgegenzuhalten: Zahlungsflüsse stehen nach § 252 Abs 1 Nr 5 HGB außerhalb der Gewinnermittlung im Rahmen einer Bilanzierung. Außerdem führt spiegelbildlich der Zugang des hineingetauschten WG nicht zu einem Liquiditätsabfluss.
Das zweite Argument ist inhaltslos, weil es zu den anderen, ebenfalls "häufigen" Tauschvorgängen nichts aussagt.
Nach IAS 16.24 (Sachanlagen) und IAS 38.47 (immaterielles Vermögen) ist Bewertungsmaßstab beim Tausch idR der fair value (Zeitwert). Die Folge ist eine Gewinnrealisation vergleichbar der StB. Diese Auffassung wird auch von Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, § 255 HGB Rz 25 vertreten, der den Ansatz zum Zeitwert deshalb für zutreffend ansieht, weil der Kaufmann diesen Wert aufwendet, um den eingetauschten Gegenstand zu erhalten.
Rn. 197
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Das Steuerrecht geht für Tauschvorgänge generell von einer Realisation aus. Es nimmt einen entgeltlichen Anschaffungsvorgang an. Die AK bemessen sich nach dem gemeinen Wert des hingegebenen WG (seit 1999 § 6 Abs 6 S 1 EStG idF StEntlG 1999/2000/2002). So zB BFH BStBl II 1984, 422; BMF BStBl I 1998, 163 Tz 1. Die seit 1999 gültige Gesetzesregel für Einlagen in KapGes bestätigt also lediglich die bisherige Rechtslage (vgl im Einzelnen s Rn 1791ff). Zur Rechtslage bei Einlagen in PersGes s Rn 1602, 1537.
Rn. 198
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Werden im Rahmen eines Tauschvertrages Zuzahlungen in bar vereinbart ("Tausch mit Baraufgabe"), weil die angenommenen Werte unterschiedlich sind – in der Realität die Regel –, so erhöhen die geleisteten Zuzahlungen die AK des Erwerbers, erhält dieser umgekehrt Zuzahlungen, so vermindern diese dessen AK (BFH BStBl III 1955, 320). Umgekehrt führen Verzichte auf Ansprüche ebenfalls zu AK (BFH BStBl II 2001, 190). Zu Kritik an dieser Gesetzesvorgabe mit weiteren Einzelheiten vgl s Rn 1817.
Konsequenterweise – zwei Anschaffungsvorgänge – gilt auch der Tausch von immateriellen WG als entgeltlicher Erwerb und ist somit vorrangig vor dem Aktivierungsverbot gem § 5 Abs 2 EStG (s BFH BStBl II 1990, 128). Ausführlich hierzu Kronner, DStR 1996, 1185.
Die Bewertungsregel des § 6 Abs 1 S 1 EStG gilt nicht bei Tauschvorgängen, bei denen das WG im BV in ein solches eingetauscht wird, das in das PV gelangt; in diesem Fall wird das hingegebene WG als Entnahme mit dem Teilwert bewertet und so der Gewinn realisiert (BFH BStBl II 1982, 18; Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG Rz 633 (43. Aufl 2024)).
Rn. 199
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die steuerlich gebotene Realisation im Rahmen von Tauschvorgängen ist einerseits verständlich, weil sonst durch entsprechende Konstruktionen eine Gewinnrealisierung vermieden werden kann. Andererseits darf die Gefahr dieses angenommenen Realisationstatbestandes nicht übersehen werden: Soweit "kein Geld fließt", haben es die Vertragsparteien in der Hand, praktisch jeden beliebigen Tauschwert zu vereinbaren. Dies gilt mutatis mutandis auch für den Tausch mit Baraufgaben, soweit dabei die effektive Zahlung überschritten wird. Der Zeitwert muss daher in Zweifelsfällen durch die Ergebnisse von Verkäufen im Markt überprüft werden.
Rn. 200
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
In einem Sonderfall – dem Tausch von wert-, art- und funktionsgleichen WG – hat der BFH im ...