Rn. 106
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die Rechtsfolgen des § 6 Abs 1 S 2 EStG treten ein, soweit nach § 6b Abs 3 EStG im Wj der Veräußerung eine Rücklage gebildet werden kann. Es handelt sich um eine begrenzte Rechtgrundverweisung auf § 6b Abs 3 EStG. Der StPfl kann einen Betrag bis zur Höhe des noch nicht abgezogenen begünstigten Veräußerungsgewinns als fiktive BA (Abzug) anstelle der Bildung einer Rücklage abziehen, wenn und soweit die aufgedeckten stillen Reserven nicht bereits im Wj der Veräußerung auf ein Reinvestitionsobjekt übertragen worden sind. An die Stelle der Auflösung der Rücklage tritt eine BE (Zuschlag). Durch Gewinnabzug und Gewinnzuschlag bestimmt sich die Reinvestitionsfrist. Der Gewinnabzug setzt nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes insbesondere voraus, dass er von den AK oder HK eines innerhalb von vier bzw sechs Jahren angeschafften oder hergestellten Reinvestitionsobjekts vorgenommen wird, BFH vom 22.11.20118, VI R 50/16, BStBl II 2019, 313; ohne Anschaffung oder Herstellung ist ein Gewinnabzug nicht möglich, Kanzler, FR 2019, 274.
Die Regelungen in § 6b Abs 3 S 2–5 EStG über die Rücklagenbildung und Rücklagenauflösung gelten entsprechend für den Gewinnabzug und den Gewinnzuschlag. Wegen der Verlängerung der Fristen durch das Zweite Corona-SteuerhilfeG, das KöMoG sowie das Vierte Corona-SteuerhilfeG s Rn 10ff.
Eine Reinvestition ist möglich in WG, die in den folgenden 4 Jahren angeschafft oder hergestellt werden, § 6c Abs 3 S 2 EStG. Die Frist von 4 Jahren verlängert sich bei neu hergestellten Gebäuden auf 6 Jahre, wenn mit Ihrer Herstellung vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage bzw den Ansatz des Gewinnzuschlags folgenden Wj begonnen worden ist. Der Herstellungsbeginn iSd § 6b Abs 3 S 3 EStG ist anzunehmen, wenn das Investitionsvorhaben "ins Werk gesetzt" wird; dies kann vor den eigentlichen Bauarbeiten liegen, BFH vom 09.07.2019, X R 7/17, BStBl II 2020, 635.
Die Vereinbarung des Übergangs von Besitz, Nutzungen und Gefahr eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks des StPfl auf den Bruder führt bei Letzterem (noch) nicht zur "Anschaffung" dieses Grundstücks als wirtschaftlicher Eigentümer, wenn der StPfl als unmittelbarer Besitzer des Grundstücks aus dem Beackern des Grundstücks weiter die Nutzungen zieht, FG Münster vom 18.06.2019, 2 K 1954/18 E, EFG 2019, 1532.
Hinsichtlich des Gewinnabzugs und des Gewinnzuschlags besteht ein Wahlrecht des StPfl, das er mit der Abgabe der Gewinnermittlungsunterlagen für das Wj der Veräußerung beim FA ausübt.
Die Übertragung der stillen Reserven erfolgt in diesem Fall dadurch, dass im Jahr der Veräußerung ein Betrag bis zur Höhe der aufgedeckten und noch nicht bereits im Wj der Veräußerung auf ein anderes Reinvestitionsobjekt übertragenen stillen Reserven als fiktive BA abgesetzt wird. Insoweit wird der Veräußerungsgewinn neutralisiert, R 6c Abs 1 S 6 EStR 2012; H 6c EStH 2021 (Berechnungsbeispiel). Wird in den nachfolgenden Jahren innerhalb der Fristen des § 6b Abs 3 S 2 und 3 EStG ein Reinvestitionsobjekt angeschafft oder hergestellt, wird eine Absetzung von den AK/HK der Reinvestitionsobjekte als BA bis zur Höhe des im Wj der Veräußerung abgezogenen Betrags vorgenommen (Abzug) und in gleicher Höhe eine fiktive BE (Zuschlag iSd § 6c Abs 1 S 2 EStG) angesetzt, BFH vom 28.04.1988, IV R 298/83, BStBl II 1988, 885; R 6c Abs 1 S 7 EStR 2012; H 6c EStH 2021. Dieser Vorgang erfolgt gewinnneutral, hat aber zur Folge, dass die AK/HK der Reinvestitionsobjekte gemindert werden und sich dadurch die Bemessungsgrundlage für die künftige AfA vermindert. Handelt es sich bei dem Reinvestitionsobjekt um Grund und Boden vermindert sich der Betrag, der nach § 4 Abs 3 S 4 EStG bei einer späteren Veräußerung oder Entnahme als BA zu erfassen ist. Verbleibt bei Ablauf der Reinvestitionsfrist ein Betrag, der nicht von den AK/HK der Reinvestitionsobjekte abgezogen worden ist, ist dieser Betrag als fiktive BE/Zuschlag (R 6c Abs 1 S 8 EStR 2012) dem Gewinn hinzuzurechnen; dies entspricht der gewinnerhöhenden Auflösung der Rücklage nach § 6b Abs 3 EStG. Auch vor Ablauf der Reinvestitionsfrist kann der StPfl die durch den Abzug iSd § 6c Abs 1 S 2 EStG gebildete Rücklage ganz oder teilweise durch Ansatz eines Zuschlags iSd § 6c Abs 1 S 2 EStG gewinnerhöhend auflösen, BFH vom 19.12.2012, IV R 41/09, BStBl II 2013, 313.
Der Zuschlag iSd § 6c Abs 1 S 2 EStG (fiktive BE) ist in den Sondergewinn iSd § 13a Abs 3 Nr 4 EStG einzubeziehen, § 13a Abs 7 S 1 Nr 1 Buchst d EStG. Die bis zum 31.12.2014 bestehende Möglichkeit, die Rücklage nach und nach unter mehrfacher Ausnutzung des Freibetrags des § 13a Abs 6 S 1 EStG aufzulösen, vgl dazu BFH vom 17.09.1987, IV R 8/86, BStBl II 1988, 55, ist mit der Änderung des § 13a EStG entfallen.
Rn. 107
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Entgegen R 6c Abs 2 S 2 EStR 2012 ist dann kein Zuschlag in Höhe des ursprünglichen Abzugsbetrags vorzunehmen, wenn der Gewinn des StPfl in einem Wj, das in den nach § 6c Abs 3 EStG maßgebenden Zeitraum fäll...