Rn. 82
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Der WK-Abzug setzt nicht voraus, dass die Aufwendungen den Einnahmen nachfolgen oder gleichzeitig mit ihnen anfallen. Vielmehr ist es geradezu typisch, dass der StPfl vor Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit Vorleistungen zu erbringen hat. Dabei können Kosten bereits anfallen, bevor der StPfl mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit begonnen hat; ebenso ist es möglich, dass die Tätigkeit aufgenommen wird, der StPfl hieraus aber noch keine Einnahmen erzielt. Die hM (zB BFH v 29.02.1980, VI R 165/78, BStBl II 1980, 395; BFH v 06.09.2016, IX R 19/15, BFH/NV 2017, 19; Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9 EStG Rz 160; Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 95) spricht hier von sog "vorab entstandenen WK" (teilweise auch von vorweggenommenen oder vorab veranlassten WK, vgl Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 162).
Rn. 83
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Vorab entstandene WK können auch Aufwendungen zur Vermehrung der Einnahmen in einer Einkunftsart sein, in der der StPfl bereits Einnahmen erzielt, zB Kosten eines Umbaus bzw Anbau eines zusätzlichen Stockwerks oder Fortbildungskosten.
Rn. 84
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Die Rspr verlangt als Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit von vorab entstandenen WK, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen ihnen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird, also ein hinreichend konkreter, objektiv feststellbarer Zusammenhang mit späteren Einnahmen (vgl BFH v 04.12.2002, VI R 120/01, BStBl II 2003, 403; BFH v 15.03.2007, VI R 14/04, BStBl II 2007, 814; BFH v 17.07.2014, VI R 8/12, BFH/NV 2014, 1970) vorliegt. Es reicht nicht aus, dass sich die Aufwendungen im Nachhinein (zufällig) im Rahmen einer Einkunftsart als nützlich erweisen (BFH v 18.07.1972, VIII R 12/68, BStBl II 1972, 930).
Die allgemeinen Anforderungen für die Abzugsfähigkeit als WK müssen auch bei vorab entstandenen Ausgaben erfüllt sein. Der Begriff der WK wird insoweit nicht in sachlicher Hinsicht erweitert, sondern lediglich in zeitlicher Hinsicht ausgedehnt (s Lochte in Frotscher/Geurts, § 9 EStG Rz 27 (März 2021)). Nur wenn die vorab entstandenen Ausgaben auch dann als WK abzugsfähig wären, wenn sie erst während der Zeit des tatsächlichen Einnahmenzuflusses anfallen würden, ist eine steuerliche Berücksichtigung gerechtfertigt. Auch bei vorab entstandenen Aufwendungen endet die Abzugsmöglichkeit mit Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht (s Rn 109ff).
fa) Zusammenhang mit bestimmter Einkunftsart
Rn. 85
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können nach ständiger Rspr als vorab entstandene WK abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher (Veranlassungs-)Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (BFH v 23.09.2019, VI R 1/18, BFH/NV 2020, 354). Ein solcher Abzug ist von dem Zeitpunkt an gegeben, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Entschluss, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst (zB BFH v 19.08.2004, VI R 103/01, BFH/NV 2005, 48; BFH v 02.12.2005, VI R 63/03, BStBl II 2006, 329; BFH v 01.12.2015, IX R 9/15, BStBl II 2016, 335) und zwischenzeitlich nicht wieder aufgegeben worden ist.
Rn. 86
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
In der Literatur (Kruse, FR 1981, 473; Stapperfend, FS für Kruse, 2001, 547; Kreft, Vorab veranlasste Erwerbsaufwendungen im ESt-Recht, 2000, 116; Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 162; Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9 EStG Rz 162 und Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 94) wird teilweise vertreten, es genüge, wenn die Aufwendungen auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet seien. Auf eine ganz konkrete Einkunftsart müssten sie sich nicht beziehen, denn eine derartige Einschränkung finde im Wortlaut des § 9 Abs 1 S 1 EStG keine Stütze und das Gleichbehandlungsgebot bzw das objektive Nettoprinzip gebiete eine Abzugsmöglichkeit auch bei ungewisser Einkunftsart. Dem ist insofern zuzustimmen, als es für die Abzugsfähigkeit weder auf die steuerliche Einordnung – zB bei einem möglicherweise Scheinselbstständigen Einkünfte aus § 15 oder § 19 EStG – noch darauf ankommen kann, ob sich der StPfl bereits endgültig für eine Tätigkeit entschieden hat. Erforderlich ist allein, dass der Zusammenhang mit zumindest einer Einkunftsart feststeht und ausgeschlossen ist, dass die Aufwendung durch keine Einkunftsart – weil "gleichsam ins Blaue hinein" getätigt (so BFH v 19.04.1996, VI R 24/95, BStBl II 1996, 452) – veranlasst ist.
Rn. 87
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
vorläufig frei
fb) Hinreichender wirtschaftlicher Zusammenhang
Rn. 88
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Ein hinreichender wirtschaftlicher Zusammenhang soll nach der Rspr nur dann angenommen werden können, wenn sich der endgültige Entschluss zur Einkünfteerzielung anhand objektiver Umstände belegen lässt (BFH v 04.06.1991, IX R 30/89, BStBl II 1991, 761; BFH v 19.09.2012, VI R 78/10, BStBl II 2013, 284; BFH v 11.12.2012, IX R 14/12, BStBl II 2013, 279). Hat sich der StPfl beispielswei...