Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Wie-Beschäftigung. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Handlungstendenz. Sonderbeziehung: Verwandtschaftsverhältnis. häusliche Gemeinschaft. familienhafte Mithilfe beim Garagenbau. etwaiger sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Falschberatung: Ausschluss bei Begründung eines rein formalen Versicherungsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Zu den Grenzen des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes eines engen, mit dem privaten Bauherrn unter einem Dach wohnenden Familienangehörigen im Rahmen der familienhaften Mithilfe.
Orientierungssatz
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch zielt nur auf die Herstellung des durch eine Amtshandlung des Sozialleistungsträgers herstellbaren sozialrechtlichen Zustandes, der eingetreten wäre, wenn die Sozialverwaltung die ihr obliegenden Pflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann immer nur auf die Herbeiführung eines gesetzmäßigen, hier eines gesetzlich vorgesehenen Versicherungsverhältnisses, gerichtet sein, nicht aber ein formales Versicherungsverhältnis begründen, bei dem lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes der faktischen Durchführung Wirkung beigelegt wird (vgl LSG Darmstadt vom 1.12.2009 - L 3 U 229/06 = Jagdrechtliche Entscheidungen XV Nr 78; vgl LSG Darmstadt vom 25.3.1987 - L 3 B 40/86 = NZA 1987, 543).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1964 geborene Kläger, der als kaufmännischer Angestellter tätig ist, verunglückte am 20.09.2013 in seiner Freizeit bei Arbeiten, die er gemeinsam mit seinem Schwiegersohn, T. G., an einer Garage auf dem Anwesen H. ausführte. Bei der Montage von OSB-Platten an der Garagendecke stürzte er von einer kleinen Leiter (sog. Zweitritt), verfing sich beim Fallen mit dem rechten Fuß in einer gegenüberstehenden Leiter und erlitt beim Sturz eine distale mehrfragmentäre Unterschenkelfraktur rechts mit Gelenkbeteiligung vom Typ Pilo tibialis und eine Fibulatrümmerfraktur. Die Verletzung wurde mehrfach operativ versorgt; es bestand Arbeitsunfähigkeit bis 02.04.2014.
Die Baugenehmigung zur Errichtung der Garage (Grundfläche 11 x 7 m) war durch Verfügung der Verwaltungsgemeinschaft Bad S. vom 26.11.2012 Herrn G. erteilt worden. Dieser hatte das - bezüglich der Maurer- und Zimmermannsarbeiten von einer Baufirma durchgeführte - Bauvorhaben unter dem 05.06.2013 bei der Beklagten angemeldet, als Baubeginn den 07.06.2013 und die voraussichtliche Zahl der privaten Helfer mit sechs angegeben.
Herr G. zeigte den Unfall der Beklagten am 01.10.2013 an und gab hierzu unter dem 18.11.2013 auf Nachfrage an, der Kläger habe unentgeltlich beim Neubau einer Doppelgarage geholfen. Bis zum Unfall seien von diesem 54 (von insgesamt 105) Helferstunden geleistet worden. Er und seine Ehefrau C. G. bewohnten mit deren Eltern, also dem Kläger und dessen Ehefrau, gemeinsam ein Zweifamilienhaus. Die Garage sei auf dem dortigen Grundstück errichtet worden.
Die Beklagte zog den zwischen der Ehefrau des Klägers, E. M., und der gemeinsamen Tochter C. G. geschlossenen notariellen Übergabevertrag des Notariats II Bad S. vom 25.04.2013 betreffend das Grundstück H., bei. Danach übergab die Ehefrau des Klägers der gemeinsamen Tochter den Grundbesitz mit den Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. In § 4 des Vertrags verpflichtete sich die Übernehmerin, der Übergeberin und ihrem Ehegatten (dem Kläger) ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht betreffend eine Wohnung im Erdgeschoss des Hausanwesens einzuräumen, außerdem das Recht auf Mitbenutzung aller zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Hausbewohner bestimmten Räume und Anlagen, insbesondere des Kellers, Speichers des Hofs, der Garage und des Gartens. Der Kläger erhielt außerdem das Recht eingeräumt, auf dem Dach des gemeinsamen Wohngebäudes lebenslang unentgeltlich eine Photovoltaikanlage zu betreiben.
Mit Bescheid vom 06.05.2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20.09.2013 als Arbeitsunfall ab mit der Begründung, nach dem Übergabevertrag bestehe ein lebenslanges Wohnrecht, das auch die Mitbenutzung aller gemeinschaftlichen Räume und Anlagen, insbesondere auch der Garage, mit einschließe. Der Kläger sei daher beim Neubau der Garage eigenwirtschaftlich tätig geworden und nicht als Eigenbauhelfer nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII bestehe daher nicht.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, die neue Garage sei nicht Bestandteil des Übergabevertrags gewesen. Die vereinbarte Nutzung habe sich auf die alte Garage bezogen. Daher sei er auch nicht eigenwirtschaftlich tätig geworden. Der Wi...