Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der ganzjährigen Beschäftigung. ergänzende Leistung. kein Anspruch auf Mehraufwands-Wintergeld für Arbeitnehmer auf Baustellen im Ausland. keine Aufbringung der Mittel durch eine Umlage. Erstattungsanspruch gem § 5 Abs 4 WinterbeschV. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität. Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Kein Anspruch auf Mehraufwands-Wintergeld bei Arbeitsverrichtung von bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern mit Wohnsitz in Deutschland im Ausland.
2. § 175a Abs1 SGB 3 (jetzt § 102 SGB 3) und § 5 Abs 4 Winterbeschäftigungsverordnung (juris: WinterbeschV) sind mit höherrangigem nationalen und europäischen Recht vereinbar.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.06.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Mehraufwands-Wintergeld für die Monate Dezember 2009 bis Februar 2010 für ihre Arbeitnehmer.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft (Limited) nach türkischem Recht mit Hauptniederlassung in J/Türkei, die seit 17.09.2007 eine Zweigniederlassung in E unterhält. Geschäftszweck ist das Maurer- und Betonbauerhandwerk. Sie ist umlagepflichtig in der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (Soka-Bau). Die Klägerin ist eingetragen in die Handwerksrolle der Handwerkskammer E und das Handelsregister des Amtsgerichts E. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV Bau) Anwendung. Der Gesamtbetrieb der Klägerin ist in das Verfahren zur Förderung der Winterbeschäftigung einbezogen (vgl. insoweit auch den Prüfbericht der Beklagten vom 03.05.2010). Für ihre Arbeitnehmer zahlt sie fortlaufend die Winterbeschäftigungs-Umlage.
Die Klägerin führte ab Oktober 2009 bis Mai 2012 Bauarbeiten, zunächst Betonarbeiten, auf einer Baustelle in F/Niederlande durch. Sie beschäftigte dafür Arbeitnehmer mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Für den Monat Dezember 2009 zahlte sie 40 Arbeitnehmern, für Januar 2010 61 Arbeitnehmern für Februar 2010 84 Arbeitnehmern Mehraufwands-Wintergeld in monatlichen Beträgen zwischen 4,- und 139,- Euro aus.
Am 22.03.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die "Erstattung" von Mehraufwands-Wintergeld für die Monate Dezember 2009, Januar 2010 und Februar 2010. Sie bezifferte das Mehraufwands-Wintergeld für den Monat Dezember 2009 für 40 Arbeitnehmer auf 849,50 Euro, für Januar 2010 für 61 Arbeitnehmer auf 2710,00 Euro sowie für Februar 2010 für 84 Arbeitnehmer auf 5811,50 Euro. Dabei legte sie Abrechnungslisten für die beschäftigten Arbeitnehmer sowie teilweise Lohnabrechnungen vor, aus denen sich das gewährte Mehraufwands-Wintergeld für die einzelnen Arbeitnehmer ergab. Zudem überreichte sie Unterlagen über die Wetterbedingungen in der Region.
Mit Bescheid vom 04.05.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Mehraufwands-Wintergeld ab. Zur Begründung führte sie aus, witterungsbedingte Arbeitsausfälle auf Baustellen im Ausland könnten keine Ansprüche auf Saison-Kurzarbeitergeld und ergänzende Leistungen gemäß §§ 175 ff. SGB III begründen, da der Gesetzgeber von der Inlandsbezogenheit der Förderungen der ganzjährigen Beschäftigung ausgegangen sei. Die Tatsache, dass die Arbeitnehmer auch für Zeit der Entsendung ins Ausland beitragsverpflichtet zur Gesamtsozialversicherung blieben, begründe nicht einen tatsächlichen Anspruch auf Leistungen, vielmehr handele es sich hierbei um ein sogenanntes Solidarprinzip. Die Gewährung der Leistung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu begrenzen, sei dabei unstrittig. Diesen Grundsatz folge auch § 5 Abs. 4 S. 1 der Winterbeschäftigungsverordnung (WinterbeschV), da Umlagebeiträge den zur Zahlung verpflichteten Arbeitgebern für Zeiten einer Beschäftigung gewerblicher Arbeitnehmer auf Baustellen außerhalb des Geltungsbereichs des SGB III erstattet würden. Da für diese Zeiten keine Mittel durch die Umlage aufgebracht würden, entfalle der entsprechende Anspruch kraft Gesetzes, § 175a Abs.1 SGB III.
Den hiergegen am 19.05.2010 eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit rügte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2010 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 30.06.2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, die Auffassung der Beklagten sei europarechtswidrig. Es sei insbesondere auf die Rechte der Arbeitnehmer abzustellen. Die fragliche Norm sei europarechtlich nicht so auszulegen, dass die im Geltungsbereich des Grundgesetzes ansässigen Arbeitnehmer von den sozialen Sicherungsrechten ausgeschlossen seien, wenn sie vorübergehend in ein anderes europäisches Land zur Arbeitserbringung abgeordnet seien.
Die Klä...