Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 04.11.1991; Aktenzeichen S 1 U 46/91) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 4.11.1991 wird zurückgewiesen. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Höhe der Umwehrung im Obergeschoß des Metall- und Technologie-Zentrums der Klägerin in Koblenz den unfallverhütungsrechtlichen Vorschriften der Beklagten entspricht und ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung hat.
Die Klägerin – eine Handwerkskammer – errichtete 1987 ein Metall- und Technologie-Zentrum in Koblenz. Dort werden überbetriebliche Unterweisungen für Auszubildende und Weiterzubildende durchgeführt. Pro Tag halten sich in ihm ca 600 Aus- und Weiterzubildende auf.
Die Beklagte hat in § 33 Abs. 1 Satz 1 ihrer Unfallverhütungsvorschriften (UVV) bestimmt: „Arbeitsplätze und Verkehrswege, die mehr als 1,00 m über dem Boden oder über einer anderen ausreichend breiten tragfähigen Fläche liegen oder an Gefahrbereiche grenzen, müssen ständige Sicherungen haben, die verhindern, daß Versicherte abstürzen oder in die Gefahrbereiche gelangen.” In der hierzu ergangenen Durchführungsanweisung vom April 1987 (DA) heißt es ua: „Diese Forderungen sind erfüllt, wenn Umwehrungen (z.B. Geländer, feste Abschrankungen oder Brüstungen) vorhanden sind, die mindestens 1 m, bei möglichen Absturzhöhen von mehr als 12 m mindestens 1,10 m hoch sind. Von den Mindesthöhen kann abgewichen werden, wenn durch die Breite der Umwehrung (z.B. bei Fahrtreppen und Fahrsteigen) ein zusätzlicher Schutz gegen Absturz gegeben ist.” Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 UVV kann die Berufsgenossenschaft im Einzelfall auf schriftlichen Antrag des Unternehmers Ausnahmen von UVV zulassen, wenn 1. der Unternehmer eine andere, ebenso wirksame Maßnahme trifft oder 2. die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer unverhältnismäßigen Härte führen würde und die Abweichung mit dem Schutz der Versicherten vereinbar ist. Dem Antrag ist eine Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen (Satz 2).
Im Obergeschoß des Metall- und Technologie-Zentrums der Klägerin sind Umwehrungen mit einer Höhe zwischen 90 und 98 cm angebracht. Die Absturzhöhe beträgt von der Oberkante des Geländers aus gemessen ca 4,50 m.
Mit Schreiben vom Dezember 1989 beantragte die Klägerin unter Beifügung einer Stellungnahme ihres Personalrates bei der Beklagten, ihr eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 1 UVV von dem Erfordernis der Geländermindesthöhe von 1 m nach § 33 Abs. 1 Satz 1 UVV i.V.m. den hierzu ergangenen DA zu erteilen. Zur Begründung machte sie geltend: Die Aufstockung der Metallgeländer auf eine Höhe von 1 m stelle in Anbetracht des anfallenden Kostenaufwandes von etwa 100.000,– DM eine unverhältnismäßige Härte dar, zumal die geforderte Höhe von 1 m nur geringfügig unterschritten und das Geländer mit einem breiten Handlauf aus Edelstahl versehen sei; in Anbetracht des Alters der Auszubildenden (durchschnittliches Alter 16 bis 21 Jahre) müsse davon ausgegangen werden, daß deren Schutz durch die vorhandene Umwehrung in ausreichendem Umfang gewährleistet sei. Von Bedeutung sei auch, daß sich ein Großteil der Geländer parallel zur Gehrichtung befinde. Soweit die Geländer in unmittelbarer Nähe zu den Ausgängen der einzelnen Klassenräume gelegen seien, seien die Ausgänge in Gehrichtung angeschrägt. In dem gesamten relevanten Bereich seien die Lichtverhältnisse ausgezeichnet. Insbesondere stütze sie – die Klägerin – sich darauf, daß nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften (§ 35 Abs. 2 der Landesbauordnung des Landes Rheinland-Pfalz – LBO –)nur eine Geländerhöhe von 90 cm gefordert werde.
Nach Einholung einer Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 2.4.1990 die beantragte Ausnahmegenehmigung ab, weil die Umwehrung im Obergeschoß des Ausbildungszentrums mit einer Höhe von weniger als 1 m keine ausreichende Sicherung gegen Absturz gewährleiste.
Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin ua vor: Vorliegend sei eine Abweichung von der Mindesthöhe der Umwehrung von 1 m auch deshalb gerechtfertigt, weil sich an der vorhandenen Umwehrung ein Brüstungssockel mit einer Breite von ca 15 cm befinde, wodurch ein zusätzlicher Schutz gegen die Gefahr des Absturzes gegeben sei.
Im Hinblick auf eine Empfehlung ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 6.7.1990 half die Beklagte dem Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22.1.1991 teilweise ab. Sie gewährte der Klägerin eine Ausnahme von § 33 Abs. 1 UVV für den als „Verkehrsbereich Luftraum” bezeichneten Teil der Umwehrung mit einer Geländerhöhe von 97 bis 98 cm; im übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Soweit die Geländerhöhe 97 bis 98 cm betrage, könne die Abweichung von der Mindesthöhe um 2 bis 3 % aufgrund der baulichen Gegebenhei...