Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung gem. § 63 AO
Leitsatz (redaktionell)
- Ist die tatsächliche Geschäftsführung eines gemeinnützigen Vereins nicht ausschließlich und unmittelbar auf die Erfüllung der satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke gerichtet, wird sie den Anforderungen des § 63 AO nicht gerecht.
- Bedient sich der gemeinnützige Verein zur Durchführung seiner Zwecke sog. Hilfspersonen, so muss deren Tätigkeit so von der gemeinnützigen Körperschaft ausgehen, dass ihr diese noch als eigene zugerechnet werden kann.
- Das bloße Beschaffen von Spendengeldern, d. h. die rein finanziell unterstützende Tätigkeit, reicht insoweit nicht aus.
Normenkette
AO § 57 Abs. 1 S. 2, § 63
Streitjahr(e)
2004, 2005, 2006
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein und wurde am 26. April 1997 gegründet. Die Satzung wurde mit einem Nachtrag vom 6. Juni 1997 am 10. Januar 1998 in das Vereinsregister eingetragen. Ziffer 2 der Vereinssatzung lautet wie folgt:
„2. Vereinszweck, Gemeinnützigkeit
1. Zweck des Vereins ist die Unterstützung der Familien und Kinder von Kriegsgefallenen, Verstorbenen und Körperbehinderten, vor allem solcher in X. Diese Ziele werden durch folgende Projekte verwirklicht:
a) Patenschaftsprojekt
Vermittlung von Waisenkindern an Paten durch ein Patenschaftsprojekt, das den Waisenkindern ermöglicht, bei ihren Müttern zu bleiben und mit anderen Geschwistern erzogen zu werden. Dieses Projekt soll verhindern, dass die betroffenen Familien auseinandergerissen werden, indem die Mutter nach dem Tod des Vaters bei der Erziehung der Kinder unterstützt wird durch die Finanzierung der schulischen Ausbildung, ärztlichen Versorgung und pädagogischen Betreuung der Kinder.
b) Medizinisches Projekt
Unterstützung verschiedener Kinderkrankenhäuser mit medizinischer Ausrüstung, Geräten, Rettungswagen und Medikamenten, in denen Waisenkinder kostenlos behandelt und operiert werden.
c) Behindertenprojekt
Unterstützung von Sonderschulen und Werkstätten für körperlich behinderte Kinder und Jugendliche durch finanzielle Mittel und technische Einrichtungen.
d) Förderung von Schülern und Studenten
Förderung besonders begabter Studenten und Unterstützung ihres Studiums durch finanzielle Mittel und Vergabe von Stipendien. In manchen Fällen wird förderungswürdigen Waisenkindern ein Studium im Ausland ermöglicht.
2. Der Verein ist gemeinnützig. Er verfolgt keine eigenwirtschaftlichen Zwecke. Mittel des Vereins dürfen nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins.”
Für die Jahre 1998 - 2003 wurde der Kläger, der zunächst beim Finanzamt Y geführt wurde, als gemeinnützig anerkannt und von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer freigestellt.
Im März 2007 reichte der Kläger eine Erklärung zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer von Körperschaften, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, für das Kalenderjahr 2006 beim Finanzamt Y ein. Darin gab der Kläger an, er habe für die Jahre 2004 - 2006 Einnahmen aus Spenden und sog. Patenschaften i.H.v. rund 395.000 €, 362.000 € bzw. 459.000 € erzielt. Aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Sitzverlegung des Klägers erfolgte ein Zuständigkeitswechsel auf den Beklagten. Dieser forderte den Kläger mit Schreiben vom 22. Februar 2008 auf, ergänzend zu der eingereichten Steuererklärung noch Durchschriften von ausgestellten Zuwendungsbestätigungen (§ 50 Abs. 4 EStDV), ausführliche Tätigkeitsberichte über die Arbeit des Vereins in den Jahren 2004 - 2006 sowie Nachweise über eine Verwendung der Mittel im Ausland (z.B. durch abgeschlossene Verträge, Material bzw. ausführliche Schilderungen über getätigte Projekte, Bestätigungen der Zahlungsempfänger etc.) vorzulegen. Nachdem der Kläger hierauf keine weiteren Unterlagen vorgelegt hatte, erließ der Beklagte für die Jahre 2004 - 2006 Körperschaftsteuerbescheide, in denen die Körperschaftsteuer jeweils auf 0 € festgesetzt und der Kläger zugleich nicht als gemeinnützig anerkannt wurde.
Gegen diese Bescheide legte der Kläger Einspruch ein und führte zur Begründung aus, der Verein versuche Patenschaften für Kriegswaisen in X zu werben. Im Jahr 2006 sei unter dem Namen „…” eine Aktion gestartet worden, um den Wiederaufbau von zerstörten Häusern und die Unterbringung von Waisenkindern während des Krieges zu fördern. Die Einnahmen dieser Aktion hätten ca. 100.000 € betragen. Die Aktivitäten des Vereins seien seit dessen Gründung ähnlich geblieben. Es würden jährliche Treffen für die Paten in verschiedenen Städten veranstaltet. Dabei werde für die Arbeit des Vereins geworben und versucht, neue Paten zu werben. Das Geld werde nach Abzug der Ausgaben auf das Konto einer Partnerorganisation in X überwiesen. Durch jährliche Reisen nach X vergewissere sich der Verein von der Rechtmäßigkeit der Arbeit der Partnerorganisation. Die gesammelten Patenschaften und Spenden würden zur Unterstützung der Familien von Kri...