Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an das „Kennenmüssen” nach § 25d Abs. 1 UStG
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Haftungsvoraussetzungen nach § 25d Abs. 1 Satz 1 UStG.
- Kenntnis oder Kennenmüssen i. S. des § 25d Abs. 1 Satz 1 UStG ist gegeben, wenn der Unternehmer für seinen Umsatz einen Preis in Rechnung stellt, der zum Zeitpunkt des Umsatzes unter dem marktüblichen Preis liegt.
- Greifen die Vermutungen für den subjektiven Tatbestand nach § 25 Abs. 2 UStG nicht, hat die FinVerw die Haftungsvoraussetzungen des § 25d Abs. 1 Satz 1 UStG darzulegen und nachzuweisen.
- Barzahlungen sind nicht geeignet, den subjektiven Tatbestand des § 25d Abs. 1 UStG zu begründen. Im Autohandel sind auch Barzahlungen höherer Beträge nichts Ungewöhnliches.
- Eine Barzahlung als solche kann nicht dazu führen, dass jeder Kaufmann davon ausgehen muss, dass Steuern in der Folgezeit nicht durch den Leistenden entrichtet werden.
Normenkette
UStG §§ 25d, 14
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin für die Umsatzsteuer aus Fahrzeuglieferungen der Firma X-GmbH GmbH als Haftungsschuldnerin nach § 25d UStG in Anspruch genommen werden konnte.
Die Klägerin betreibt einen Nutzfahrzeughandel. Sie erwarb u.a. Fahrzeuge von der X-GmbH und veräußerte diese an verschiedene in- und ausländische Unternehmen weiter. Mit Rechnung vom 3. Januar 2012 lieferte die X-GmbH ihr mit gleichem Datum Fahrzeuge zum Netto-Preis von 233.386,55 € zzgl. ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 44.343,45 € und mit Rechnung vom 5. Januar 2012 Container zum Netto-Preis von 45.000 € zzgl. ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 8.550,50 €. Die Umsatzsteuer für Januar 2012 in Höhe von 47.725,45 € wurde von der X-GmbH nicht entrichtet. Auf Seiten der X-GmbH war dabei ein Herr Y tätig, der in der Vergangenheit bereits für verschiedene andere Unternehmen aufgetreten war, zu denen die Klägerin ebenfalls Geschäftsbeziehungen hatte. Im Zusammenhang mit diesen Firmen wurde gegen Herrn Y und weitere dritte Beschuldigte von Seiten der Steuerfahndung seit mindestens 2008 in einer Vielzahl von Fällen wegen Hinterziehung von Umsatzsteuern ermittelt. Nach Darstellung des Beklagten, dem Finanzamt (FA), soll am 15. September 2008 sowohl der damalige Geschäftsführer der Klägerin, Herr Z, als auch deren Buchhalterin von Seiten der Steuerfahndungsstelle Oldenburg ausdrücklich auf das gegen Herrn Y geführte steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren hingewiesen worden sein. Am 25. März 2009 sei Herr Z im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen gegen Dritte zur Person des Herrn Y befragt worden. Unter Hinweis auf das gegen Herrn Y geführte Ermittlungsverfahren sprach die Steuerfahndung Oldenburg am 11. Januar 2012 bei der Klägerin vor. Nach Darstellung der Klägerin habe erst diese Vorsprache ihr Anlass zu Misstrauen gegen Herrn Y bzw. die Firma X-GmbH geboten. Als Konsequenz habe sie die Geschäftsbeziehungen zur X-GmbH umgehend eingestellt.
Durch Haftungsbescheid vom 6. März 2014 wurde die Klägerin für die Umsatzsteuerschulden der X-GmbH für Januar 2012 gem. § 25d UStG als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen. Die Klägerin habe ihre Sorgfaltspflichten verletzt, weil sie sich nur unzureichend über die X-GmbH informiert habe. Bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns hätte die Klägerin bei Abschluss der Kaufverträge von der Absicht des Herrn Y wissen müssen, die in den Rechnungen aus Januar 2012 ausgewiesenen Steuerbeträge nicht entrichten zu wollen. Den Einspruch hiergegen wies das FA mit Bescheid vom 26. November 2014 als unbegründet zurück. Durch die rechtskräftige Verurteilung des Herrn Y wegen Steuerhinterziehung durch das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 7. Januar 2014 sei nachgewiesen, dass dieser als Geschäftsführer der X-GmbH deren Umsatzsteuer für Januar 2012 in Höhe von 47.725,45 € bewusst und gewollt und damit entsprechend vorgefasster Absicht nicht entrichtet habe. Die Verantwortlichen der Klägerin seien lange vor Vertragsabschluss über die Fahrzeuglieferungen im Januar 2012 als Zeugen in steuerstrafrechtliche Ermittlungen gegen Herrn Y involviert gewesen. Gleichwohl habe sie keine Wirtschaftsauskünfte über die Firma X-GmbH eingeholt. Das Argument der Klägerin, sie habe die Geschäftskontakte zur X-GmbH umgehend nach der angeblich erst am 11. Januar 2012 erlangten Kenntnis eingestellt, sei fadenscheinig. Denn sie habe kurze Zeit später Geschäftsbeziehungen zu einer anderen GmbH aufgenommen, wohl wissend, dass Herr Y auch hier der verantwortlich Handelnde gewesen sei. Die Klägerin habe sich nach eigenem Bekunden Kontoauszüge der X-GmbH über deren Steuerzahlungen vorlegen lassen. Nach den vorliegenden Kopien seien diese jedoch an entscheidender Stelle geschwärzt, so dass der Verwendungszweck nicht erkennbar sei. Obwohl die Auszüge also gerade nicht als Nachweis der Zuverlässigkeit der X-GmbH taugten, habe die Klägerin keine weitergehenden Nachforschungen angestellt. In ande...