Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Berücksichtigung von nachgereichten Schriftsätzen und Wiedereröffnung einer mündlichen Verhandlung
Leitsatz (redaktionell)
- Schriftsätze der Beteiligten, die zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und der abschließenden gerichtlichen Entscheidung bei Gericht eingehen, sind i.d.R. nur zu berücksichtigen, wenn das Gericht den Beteiligten das Nachreichen des Schriftsatzes gestattet hat oder hierdurch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten ist.
- Die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung steht im Ermessen des Gerichts und kommt vor allem dann in Betracht, wenn Schriftsätze mit verfahrensrechtlichem Inhalt nachgereicht werden oder wenn aufgrund des Ergebnisses der (inzwischen geschlossenen) mündlichen Verhandlung zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung eine weitere Aufbereitung des Streitstoffs erforderlich ist.
- Hat sich ein Beteiligter trotz ausreichender Gelegenheit nicht genügend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet und nimmt nachträglich zu Fragen Stellung, die bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, muss die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet werden.
Normenkette
FGO § 93 Abs. 3 S. 2, § 155; ZPO § 283
Streitjahr(e)
1994
Tatbestand
Streitig sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen (§§ 15, 19, 20 Einkommensteuergesetz – EStG –, jeweils in der im Streitjahr geltenden Fassung).
Im Streitjahr erhielt der Kläger als angestellter Pilot einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 44.180,86 DM und war zudem als Einzelunternehmer (u.a. Pilot und Verkauf von ausländischem Bier) gewerblich tätig.
Daneben war er zu 40 v.H. neben den Gesellschaftern A und B Gesellschafter der … GmbH (im folgenden GmbH), die in der Zeit von 1980 und 1992 verschiedene Diskotheken betrieben hatte. Nach Unstimmigkeiten mit den Mitgesellschaftern wurde er Mitte des Jahres 1992 als Geschäftsführer der GmbH abberufen und später endgültig aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
Ebenfalls mit den Gesellschaftern A und B ist er zu 1/3 Miteigentümer der „… GbR”, die im Streitjahr aus der Nutzung eines Grundstücks gesondert und einheitliche festgestellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus Vermietung und Verpachtung erzielte.
Im Anschluss an zwei Lohnsteueraußenprüfungen hatte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung … (GBp) im Jahr 1995 für die GmbH eine die Jahre 1988 bis 1991 umfassende Außenprüfung durchgeführt. Nach Auffassung der GBp waren die Tantiemen der Gesellschafter-Geschäftsführer zur einen Hälfte als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und zur anderen Hälfte als Arbeitslohn zu erfassen. Soweit die Entnahme der Tantieme über das Verrechnungskonto gebucht worden sei, sei die Versteuerung erst im Jahr des tatsächlichen Zuflusses vorzunehmen. Die Hälfte der für das Jahr 1990 zu zahlenden Tantieme sei dem Kläger erst im Jahr 1994 zugeflossen. Nach dem Inhalt einer von der GmbH ausgestellten und vom Kläger zum Nachweis des Lohnsteuerabzugs im Original vorgelegten „Besonderen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 1994” hatte dieser von der GmbH einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 228.634,00 DM erhalten von dem Lohnsteuer in Höhe von 110.211 DM einbehalten worden war.
Im Dezember 1996 ging die Steuererklärung des Klägers beim beklagten Finanzamt ein. Außer den auf der Lohnsteuerkarte bescheinigten Beträgen zum Arbeitslohn und den abgeführten Steuern und Beiträgen enthielt die Erklärung keine Angaben zu weiteren Einnahmen und Ausgaben. Der Beklagte folgte der Auffassung der Lohnsteueraußenprüfer und setzte unter Ansatz der dort getroffenen Feststellungen sowie geschätzter Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Einkommensteuerbescheid vom 23. Juni 1997 die Einkommensteuer auf 238.258 DM fest.
Im anschließenden Einspruchsverfahren bestritt der Kläger, von der GmbH Zahlungen erhalten und steuerpflichtige Kapitalerträge erzielt zu haben. Nach der von ihm vorgelegten Gewinnermittlung hatte er im Streitjahr einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 222.721,33 DM erwirtschaftet. Das Finanzamt erhöhte abweichend von der Gewinnermittlung die Betriebseinnahmen des Klägers um 6.193,54 DM wegen eines für die private Pkw-Nutzung anzusetzenden Nutzungswerts in Höhe von 35 v.H. der vom Kläger als Betriebsausgaben abgezogenen Kfz-Kosten und verminderte den Verlust aus Gewerbebetrieb auf ./. 216.527,79 DM.
Nachdem mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 4. Februar 1998 die vorstehenden Änderungen bei den Einkünften erfasst worden waren, änderte der Beklagte mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 5. Januar 2000 die Steuerfestsetzung erneut und setzte die Einkommensteuer unter Erhöhung der Einkünfte aus Kapitalvermögen auf 351.141 DM und unter Abzug eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 1996 in Höhe von ./. 45.206 DM auf 164.332 DM herab.
Die Steuerfahndung des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen hatte in der Zeit von Dezember 2000 bis Januar 2002 beim Kläger strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen durchg...