Entscheidungsstichwort (Thema)
Neue Tatsache im Rahmen des grunderwerbsteuerlichen Begriffs „einheitliches Vertragswerk”
Leitsatz (redaktionell)
Tatsache des ungeschriebenen Steuertatbestands des sog. einheitlichen Vertragswerkes ist, ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskauf und dem Werkvertrag bestand.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte den Grunderwerbsteuerbescheid wegen neuer Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) zu Recht geändert hat.
Der Kläger schloss am 15. März 1994 mit der Firma W einen Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses zu einem Gesamtpreis von 410.144,00 DM.
Des weiteren schloss er am 16. März 1995 mit der Erbengemeinschaft Z einen notariellen Grundstückskaufvertrag über den Erwerb eines 418 qm großen unbebauten Grundstücks in E, Flurstück…der Flur ..., verbunden mit einen 1/15 Anteil an einem Privatweg zu einem Gesamtkaufpreis von 54.575,70 DM.
Nach § 1 unter III. des vorstehenden Grundstückskaufvertrags gehörte dieses Grundstück zu einem Neubaugebiet und hatte die Nr. 5 des entsprechenden Lageplans.
Die Erschließung und Bauleitung in diesem Neubaugebiet erfolgte laut Nr. 2 der „Vorbemerkungen” des Grundstückskaufvertrags durch das Baugeschäft W in W,…Nach dem Bebauungsplan sollten fünf Einzelhäuser und zehn Doppelhaushälften entstehen (Nr. 2 der „Besondere[n] Hinweise” des Grundstückskaufvertrags).
In § 5 Nr. 2 unter III. des Grundstückskaufvertrags heißt es: „Das Bauvorhaben muß in einem Zug ohne Unterbrechung erstellt werden. Der Käufer verpflichtet sich, mit dem Bau des Gebäudes unverzüglich zu beginnen und den Bau spätestens binnen 14 Monaten fertigzustellen.”
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 12. April 1995 die Grunderwerbsteuer in Höhe von 2 % des Kaufpreises für den Grund und Boden, mithin auf einen Betrag von 1.091,00 DM, fest.
In ihrer für das Kalenderjahr 1995 abgegebenen Einkommensteuererklärung beanspruchte der Kläger die Steuervergünstigung nach § 10 e EStG und erklärte insoweit Baukosten für die Errichtung eines Einfamilienhauses in Höhe von 410.144,00 DM.
Daraufhin änderte der Beklagte den Grunderwerbsteuerbescheid wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Mit Bescheid vom 30. September 1997 bezog er die Baukosten in die Bemessungsgrundlage unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Vertrags ein und setzte die Grunderwerbsteuer in Höhe von 9.294,00 DM fest.
Das hiergegen gerichtete Rechtsbehelfsverfahren blieb erfolglos. Mit Einspruchsbescheid vom 31. Juli 2000 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers vom 17. Oktober 1997 als unbegründet zurück.
Dagegen erhob der Kläger Klage, mit der er die Aufhebung des Änderungsbescheids begehrt. Seiner Ansicht nach sei eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht mehr möglich gewesen, da der abgeschlossene Werkvertrag wegen des Inhalts des notariellen Grundstückskaufvertrags keine neue Tatsache darstelle. Verweis auf Parallelverfahren!
Der Kläger beantragt,
den Änderungsbescheid vom 30. September 1997 in der Form des Einspruchsbescheids vom 31. Juli 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Rechtsauffassung fest. Seiner Ansicht sei die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen neuer Tatsachen zu Recht erfolgt. Es liege – insoweit unstreitig – ein einheitliches Vertragswerk vor. Dem Beklagten sei bei Erlass des Ausgangsbescheids zwar die Absicht einer Bebauung bekannt gewesen, nicht aber der Bauvertrag mit der Firma W. In § 5 Nr. 2 unter III. des Grundstückskaufvertrags sei kein Hinweis auf eine bestehende Verpflichtung, ein Gebäude mit dem Bauunternehmen W zu errichten, enthalten.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 14.05.2003 Bezug genommen.
Dem Gericht haben die für den Kläger bei dem Beklagten geführten Grunderwerbsteuerakten unter der Steuernummer…sowie die Bauakten der…vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Änderungsbescheid vom 30. September 1997 ist aufzuheben. Eine Rechtsgrundlage für den Erlass des Änderungsbescheids ist nicht gegeben. Entgegen der Ansicht des Beklagten liegen insbesondere die Voraussetzungen einer Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht vor.
Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
Tatsache ist jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestands erfüllt, also Zustände und Vorgänge der Seinswelt, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (BFH, Urteil vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BStBl. 1995 II S. 264; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Fi...