Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der gewinnerhöhenden Auflösung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nach sechs Jahren
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven kann ausnahmsweise vermieden werden, wenn ein WG aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatz-WG angeschafft wird.
- Eine Rücklage, die aufgrund des Ausscheidens eines beweglichen WG gebildet wurde, ist am Schluss des ersten auf ihre Bildung folgenden Wj gewinnerhöhend aufzulösen, wenn bis dahin ein Ersatz-WG weder angeschafft oder hergestellt noch bestellt worden ist. Die Frist verdoppelt sich bei einer Rücklage, die aufgrund des Ausscheidens eines Gebäudes oder Grundstücks gebildet wurde. Die Frist von einem oder zwei Jahren kann im Einzelfall angemessen verlängert werden, wenn der Stpfl. glaubhaft macht, dass die Ersatzbeschaffung doch ernstlich geplant und zu erwarten ist, aber aus besonderen Gründen noch nicht durchgeführt werden konnte.
- Die gewinnerhöhende Auflösung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung (R 35 EStR) ist nach sechs Jahren rechtmäßig, wenn das zerstörte WG (hier: abgebrannte Scheune) erst neun Jahre und elf Monate nach seiner Zerstörung wieder neu errichtet worden ist.
- Dass die Versicherungsbedingungen der Gebäudeversicherung eine Kostenübernahme bis zu 10 Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles vorsehen, ist unbeachtlich.
Normenkette
EStG § 35
Streitjahr(e)
2001, 2002
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Bilanzierung einer Forderung auf Zahlung einer Versicherungsentschädigung sowie die Auflösung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung.
Der Kläger ist Landwirt. Mit Hofübergabevertrag vom 15.07.1998 übernahm er den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters zum 01.07.1998. Der bilanzierende Kläger führte die Buchwerte aus der Bilanz seines Vaters fort. Er bilanziert nach einem Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni eines Kalenderjahres.
In der Bilanz ist für den 01.07.1998 eine Forderung gegen die ÖVB in Höhe von 135.159,21 DM erfasst. Dieser Forderung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Im August 1996 wurde eine zum Betriebsvermögen des Rechtsvorgängers gehörende Scheune durch einen Brand fast vollständig zerstört. Für die Scheune bestand bei der ÖVB eine Gebäudeversicherung. Der Vater des Klägers bilanzierte zunächst eine Forderung gegen die Versicherung in Höhe von 253.736,48 DM und bildete eine Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR. Er begann mit der Instandsetzung des vorderen Teils der beschädigten Scheune. Zum 30.06.1998 bestand aufgrund von Teilzahlungen der Versicherung noch eine Forderung von 135.159,21 DM, die der Kläger in seine Bilanz auf den 01.07.1998 übernahm; die Rücklage minderte sich in gleicher Weise auf den Betrag von 135.159,21 DM.
Der Kläger gab für den Veranlagungszeitraum 1999 keine Steuererklärung ab. Die Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2000 mit den Gewinnermittlungen für die Wirtschaftsjahre 1999/2000 und 2000/2001 ging erst nach Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ein. Forderung und Rücklage für Ersatzbeschaffung wies der Kläger unverändert mit dem Betrag von 135.159,21 DM zum 30.06.2001 aus.
Für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 gab der Kläger wiederum keine Einkommensteuererklärungen ab. Das Finanzamt schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen mit Bescheiden vom 17.11.2003 und 28.10.2004, die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. Mit Bescheiden vom 24.11.2005 änderte das Finanzamt diese Einkommensteuerbescheide unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung. Es erhöhte für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 den mit 145.000 DM nach Richtsätzen geschätzten Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft um den Betrag von 135.000 DM/69.105,81 €, resultierend aus der Auflösung der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf den Betrag von 280.000 DM (143.161 €). Hiervon entfielen zeitanteilig 140.000 DM auf den Veranlagungszeitraum 2001 und 71.580 € auf den Veranlagungszeitraum 2002. Gegen diese Änderungsbescheide vom 24.11.2005 hat der Kläger am 09.12.2005 Einspruch eingelegt. Zur Begründung reichte er die Einkommensteuererklärungen nebst Gewinnermittlungen für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2002/2003 ein. Mit Schreiben vom 24.01.2006 wies das Finanzamt darauf hin, es beabsichtige von den Erklärungen teilweise abzuweichen, nämlich:
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die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 2000/2001, 2001/2002 und 2002/2003 um nach § 4 Abs. 4 a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen in Höhe von 139 DM, 3.833 DM und 3.006 € zu erhöhen, |
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die Rücklage nach R 35 EStR in Höhe von 69.105,81 € im Wirtschaftsjahr 2001/2002 aufzulösen, weil spätestens zum 30.06.2002 die Absicht einer Ersatzbeschaffung endgültig aufgegeben worden sei, |
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die im Kalenderjahr 2001 geleisteten Kirchensteuerzahlungen mit 1.744 DM als Sonder... |