Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff der Einnahmen für eine Arbeitsleistung nach §§ 8 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
- Zu Sachbezügen nach § 8 Abs. 2 EStG.
- Kundenkarten sind mit Waren- oder Benzingutscheinen nicht zu vergleichen. Denn ein Gutschein repräsentiert – anders als eine Kundenkarte – eine gegen einen Dritten bestehende Forderung auf eine Sache oder Dienstleistung. Die Hingabe der Kundenkarte beinhaltet daher die Zuwendung von stpfl. Barlohn.
Normenkette
EStG §§ 8, 19 Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 3
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob auf Rechnung der Klägerin von mehreren ihrer Arbeitnehmer bei Dritten bezogene Waren Sachbezüge darstellen, für die die Freigrenze von 44 Euro des § 8 Abs. 2 Satz 9 Einkommensteuergesetz (EStG) gilt.
Die Klägerin ist arbeitsvertraglich verpflichtet, ihren Arbeitnehmern neben dem Gehalt verschiedene Zusatzleistungen zu erbringen. U. a. gewährt sie „einen regelmäßigen Gutscheins-, Waren- oder Dienstleistungsbezug nach Wunsch des Arbeitnehmers” im Wert von 44 EUR. Der Arbeitnehmer kann bis zum 30. November eines Jahres bestimmen, welche konkreten Waren, Dienstleistungen oder Gutscheine er im Folgejahr beziehen möchte. Sollte der vereinbarte Wert überschritten werden, sind die Arbeitnehmer zur anteiligen Rückzahlung an die Klägerin verpflichtet.
Die Arbeitnehmer konnten sich auch für den Bezug von Waren oder Dienstleistungen einer Tankstelle entscheiden. Die Klägerin hatte für diesen Fall mit dem Betreiber der Tankstelle (T) vereinbart, dass diese Arbeitnehmer monatlich nach ihrer Wahl bei T Güter „aus allen Warengruppen” im Wert von bis zu 44 EUR auf Rechnung der Klägerin beziehen dürfen. Die Arbeitnehmer erhielten jeweils eine dementsprechend limitierte „T Card”, eine Kundenkarte des T. Die Arbeitnehmer kauften mittels der Kundenkarte für 44 EUR monatlich im Wesentlichen Benzin verschiedener Sorten, aber z. B. auch Tabak- und Süßwaren ein. T erteilte der Klägerin monatlich Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer. Die Rechnungen wiesen die von jedem Arbeitnehmer bezogenen Waren oder Dienstleistungen aus. Die Klägerin sah hierin keinen lohnsteuerpflichtigen Vorgang.
Der Beklagte (das Finanzamt) beanstandete im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung dem Prüfer folgend diese Vorgehensweise und nahm die Klägerin mit Bescheid vom 6. Dezember 2006 für die nicht angemeldeten und abgeführten Lohnabzugsbeträge gemäß § 42 d Abs. 1 EStG in Haftung.
Es war der Ansicht, es liege kein Sachbezug vor, sodass die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht einschlägig sei. Die Kundenkarte sei einem Warengutschein, der nicht beim Arbeitgeber einzulösen sei, vergleichbar. In einem solchen Fall komme ein Sachbezug nur in Betracht, wenn die Ware konkret bezeichnet und zusätzlich kein Höchstbetrag angegeben sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht gegeben. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 10. Januar 2007) die Klage.
Die Klägerin meint, die Tankkarte sei mit einem Gutschein nicht vergleichbar. Die Tankkarte beinhalte kein Guthaben, über das der Arbeitnehmer verfügen könne, sondern diene lediglich der Legitimation der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer habe durch die Tankkarte keinen Rechtsanspruch auf den Bezug von Waren. T könne den Warenbezug jederzeit verweigern. Ebenso könne die Klägerin die Tankkarte jederzeit sperren lassen. Bei einem Gutschein erfolge durch die Zahlung des Gutscheinwerts eine Kaufpreisvorauszahlung an das einlösende Unternehmen. Bei der Tankkarte hingegen kreditiere T gegenüber der Klägerin. Anders als bei einem Gutschein verbleibe das Eigentum an der Tankkarte bei T.
Die Klägerin erbringe die Warenlieferungen oder Dienstleistungen. Sie bediene sich lediglich des T als Erfüllungsgehilfen, um ihre arbeitsvertragliche Pflicht, die vereinbarte Vergütung zu leisten, zu erfüllen. Die Erfüllung sei nicht bereits in der Übergabe der Tankkarte, sondern erst in dem Bezug der einzelnen Waren oder Dienstleistungen durch die Arbeitnehmer zu sehen. Die Arbeitnehmer hätten keine Ansprüche gegen T, sondern nur gegen die Klägerin. Die Sachbezugsfreigrenze sei auch dann zu beachten, wenn eine Warenabgabe an die Arbeitnehmer nicht im Betrieb stattfinde.
Dass die Arbeitnehmer eigene Aufwendungen ersparten, sei für jeden Sachbezug kennzeichnend und demzufolge kein Argument von einer Einnahme in Geld auszugehen.
Da § 8 Abs. 1 Satz 1 EStG Sachbezüge als Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, definiere und die Tankkarte kein Guthaben enthalte, müsse im Streitfall zwingend von einem Sachbezug ausgegangen werden. Die Möglichkeit, dass die Arbeitnehmer Rückzahlungen an die Klägerin zu leisten hätten, stehe der Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nach seinem Wortlaut nicht entgegen.
Der amtlichen Begründung für § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG (BT-Drucks 13/1686, S. 8)...