Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung bei Nichtberücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen
Leitsatz (redaktionell)
- Wird eine Kindergeldfestsetzung wegen Überschreitung des Grenzbetrages infolge zu hoher Einkünfte und Bezüge des Kindes aufgehoben, so ist der Aufhebungsbescheid, auch wenn er nach dem Beschluss des BVerfG v. 11.1.2005 - 2 BvR 167/02 ergangen ist, nicht nichtig, sondern lediglich rechtswidrig.
- Ist der Aufhebungsbescheid bestandskräftig geworden, kommt eine Durchbrechung der Bestandskraft weder nach § 70 Abs. 2 bis 4 EStG noch nach den Vorschriften der §§ 172 ff. AO in Betracht.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4, § 70 Abs. 4; AO § 173 Abs. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger erhielt für seine Tochter V (geb. xx. Februar 1983) im Jahr 2004 Kindergeld. V absolvierte im diesem Jahr eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Nach den Ermittlungen der Beklagten überschritten die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag des Jahres 2004 in folgender Höhe:
Einnahmen aus der nichtselbständigen Tätigkeit |
12.xxx,xx € |
Werbungskosten |
./. 2.xxx,xx € |
eigene Einkünfte und Bezüge |
9.xxx,xx € |
Jahresgrenzbetrag |
7.680,00 € |
Im Rahmen einer Anhörung zu Beginn des Jahres 2005 machte der Kläger Ausführungen zu den Aufwendungen, die dem Kind entstanden waren. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht erwähnt. Die Beklagte hatte nach dem damaligen Akteninhalt keine Kenntnis von der konkreten Höhe der einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge.
Die Kindergeldfestsetzung wurde am 24. März 2005 ab dem Monat Januar 2004 aufgehoben. Gleichzeitig wurde die Überzahlung in Höhe von 1.848 € zurückgefordert. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 11. Juli 2005 beantragte der Kläger unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (- BVerfG -) vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02) erneut Kindergeld für das Jahr 2004. Die Beklagte habe auf den Beschluss nicht hingewiesen, sondern in mehreren Gesprächen versichert, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht zu berücksichtigen seien. Es ergebe sich folgende Berechnung:
Einnahmen aus der nichtselbständigen Tätigkeit |
12.xxx,xx € |
Werbungskosten |
./. 2.xxx,xx € |
Sozialversicherungsbeiträge |
./. 2.xxx,xx € |
eigene Einkünfte und Bezüge |
6.xxx,xx € |
Jahresgrenzbetrag |
7.680,00 € |
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Kindergeldgewährung mit Bescheid vom 11. Juli 2005 ab. Auch das Einspruchsverfahren war erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom 11. August 2005 führte die Beklagte aus, dass der bestandskräftige Aufhebungsbescheid den konkreten Regelungszeitraum von Januar bis Dezember 2004 umfasse. Insoweit sei Bindungswirkung eingetreten. Eine Durchbrechung der Bestandskraft könne auch nicht nach §§ 172 ff. AO oder nach § 70 Abs. 2 bis 4 EStG erfolgen.
Ab Januar 2005 hat der Kläger wieder Kindergeld erhalten.
Mit am 22. August 2005 eingegangener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das BVerfG habe mit dem Beschluss vom 11. Januar 2005 entschieden, dass die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gegen den Gleichheitssatz verstoße. Die Beklagte sei an diesem Verfahren beteiligt gewesen. Unter Missachtung der Entscheidung des BVerfG habe sie am 24. März 2005 die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für V veranlasst. Zu diesem Zeitpunkt seien die Grundsätze der Entscheidung des BVerfG der Beklagten längst bekannt gewesen. Im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns habe der Kläger damals keinen Einspruch eingelegt. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig und somit nichtig.
Die Beklagte habe später den Antrag des Klägers, das Kindergeld erneut für 2004 festzusetzen, unter Hinweis auf die Bestandskraft der Ablehnung abgelehnt. Dieser Bescheid sei rechtswidrig. Die Beklagte hätte gemäß §§ 172 ff. AO bzw. § 70 Abs. 2 bis 4 EStG feststellen müssen, dass dem Kläger Kindergeld zustehe.
§ 173 AO sei einschlägig, weil der Kläger keine Gehaltsbescheinigung für das Jahr 2004 vorgelegt habe, aus denen sich die Sozialversicherungsbeiträge ergeben würden. Grobes Verschulden sei dem Kläger nicht anzulasten, weil ihm die Entscheidung des BVerfG nicht bekannt gewesen sei.
Auch gemäß § 70 Abs. 4 EStG sei die Kindergeldfestsetzung zu ändern, weil die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge nachträglich bekannt geworden seien.
Der Kläger beantragt,
1. der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. August 2005 wird aufgehoben,
2. es wird festgestellt, dass der Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 24. März 2005 nichtig ist,
3. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.848 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des in Bestandskraft erwachsenen Bescheids vom 24. März 2005 komme eine Kor...