vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Haftungsbescheides, der gegen den Arbeitgeber gerichtet ist, durch einen Arbeitnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Klage eines ArbN gegen den LSt-Haftungsbescheid, der gegen den ArbG gerichtet ist, ist zulässig. Der ArbN wird durch einen solchen Bescheid beschwert.
  2. Der ArbG haftet nur für die LSt, die er einzubehalten und abzuführen hat. Für Lohn, der dem ArbN noch nicht zugeflossen ist, ist indes keine LSt einzubehalten und abzuführen.
  3. Der ArbN kann hinsichtlich des gegen den ArbG gerichteten Haftungsbescheides nur Einwendungen geltend machen, soweit eine Beeinträchtigung seiner Rechtssphäre und nicht nur seiner Interessensphäre gegeben ist. Teile des Haftungsbescheides, die ihn nicht betreffen, kann der ArbN nicht anfechten.
 

Normenkette

EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1994, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.03.2010; Aktenzeichen VI B 132/09)

BFH (Beschluss vom 24.03.2010; Aktenzeichen VI B 132/09)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides gegen den Arbeitgeber der Klägerin nach § 42d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin war als Arbeitnehmerin bei E (Arbeitgeber) tätig. Dieser war Inhaber eines Einzelunternehmens, das den Betrieb einer Baumschule zum Gegenstand hatte. In dem Unternehmen waren im Streitzeitraum ca. 10 Arbeitnehmer beschäftigt, die überwiegend als Aushilfskräfte steuerlich geführt wurden.

Im Oktober 2003 erhielt der Beklagte eine anonyme Anzeige, wonach der Arbeitgeber Lohnzahlungen nicht versteuert haben soll. Daraufhin wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Arbeitgeber und einzelne Arbeitnehmerinnen eingeleitet. Bei der Durchsuchung stellte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen O sogenannte Stempelkartenprotokolle für die Kalenderjahre 1995 bis 1998 und 2001 sicher. Weiterhin wurden Lohnzettel für einzelne Arbeitnehmerinnen für das Kalenderjahr 2003 vorgefunden.

Eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 1. Januar 1994 bis 30. September 2003 ergab, dass die in den Stempelkartenprotokollen und Lohnzetteln enthaltenen Lohnbeträge nicht mit der Lohnbuchhaltung übereinstimmten. Der Prüfer war der Ansicht, dass die in den Stempelkartenprotokollen und Lohnzetteln enthaltenen Lohnbeträge nicht versteuerte Lohnzahlungen darstellten. Für die Streitjahre, in denen keine Unterlagen vorgefunden wurden, schätzte er die unversteuerten Lohnzahlungen auf Grundlage der Zahlen des Vorjahres bzw. des Folgejahres.

Im Rahmen einer Schlussbesprechung wurde einvernehmlich mit dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers davon ausgegangen, dass die vom Prüfer ermittelten Lohnzahlungen nicht versteuert worden waren und mit dem individuell ermittelten Steuersatz nachversteuert werden sollten. Nach dem Prüfungsbericht soll der Arbeitgeber auf einen Regress bei den Arbeitnehmern verzichtet haben.

Am 25. November 2004 erging gegenüber dem Arbeitgeber ein Haftungsbescheid über 82.587,99 € Lohnsteuer zzgl. Nebenabgaben. Der Haftungsbescheid wurde auf § 42d Abs. 1 EStG gestützt. Im Erläuterungsteil wurde festgehalten, dass der Arbeitgeber als Haftender an Stelle des Arbeitnehmers in Anspruch genommen werde, weil ein Haftungsausschluss nicht vorliege und der Arbeitgeber sich mit einer Inanspruchnahme habe einverstanden erklärt.

Gegen den Haftungsbescheid legte der Arbeitgeber keinen Einspruch ein und bezahlte die Haftungsbeträge bei Fälligkeit.

Entgegen den Angaben in dem Prüfungsbericht nahm der Arbeitgeber wegen der von ihm bezahlten Lohnsteuer bei einigen Arbeitnehmerinnen Regress. Die insoweit angestrengten arbeitsgerichtlichen Prozesse sind noch nicht beendet. Die Klägerin erfuhr im Arbeitsgerichtsverfahren von dem Haftungsbescheid und legte neben anderen Arbeitnehmerinnen am 24. November 2005 Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein, der mit Einspruchsbescheid vom 15. November 2007 als unbegründet zurückgewiesen wurde. In der Einspruchsentscheidung wurden die Haftungsbeträge, soweit sie die Klägerin betrafen, gesondert ausgewiesen. Unter Beachtung der dem zugrunde liegenden Lohnzahlungen an die Klägerin ergaben sich folgende Beträge:

Streitjahr

Bruttolohn

Lohnsteuer

Krchensteuer ev.

Solidaritätszuschlag

1994

5.572,00 DM

677,00 DM

60,93 DM

0,00 DM

1995

5.572,00 DM

677,00 DM

60,93 DM

0,00 DM

1996

3.780,00 DM

447,00 DM

40,23 DM

0,00 DM

1997

5.537,00 DM

909,00 DM

81,81 DM

0,00 DM

1998

5.128,00 DM

797,00 DM

71,73 DM

0,00 DM

1999

5.128,00 DM

735,00 DM

66,15 DM

0,00 DM

2000

4.992,00 DM

680,00 DM

61,20 DM

0,00 DM

2001

4.992,00 DM

585,00 DM

52,65 DM

0,00 DM

2002

2.550,00 EUR

297,00 EUR

26,73 EUR

0,00 EUR

2003

1.349,00 EUR

60,00 EUR

5,40 EUR

0,00 EUR

Summe gesamt

24.709,09 EUR

3.172,68 EUR

285,54 EUR

0,00 EUR

Für die Jahre 1995 bis 1998 und 2001 hatte der Prüfer die Bruttolöhne den Stempelkartenprotokollen entnommen. Im Jahr 2003 wurde der Bruttolohn aus den Lohnzettelaufzeichnungen ermittelt. Als Lohnzahlungen für 1994, 1999, 2000 und ...

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