Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vertrauensschutz hinsichtlich der Geltendmachung von Umsatzsteuerforderungen gegenüber einer als Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG tätigen GmbH, die zuvor unzutreffend als nicht selbständiges Organ angesehen worden war
Leitsatz (redaktionell)
- Zur Selbstbindung der Verwaltung durch tatsächliches Verhalten in der Vergangenheit bzw. durch Verwaltungsvorschriften.
- Ein insoweit schützenswertes Vertrauen kann nur insoweit entstehen, als die Verwaltung selbst i.R. des Gesetzes eine diesem nicht widersprechende Regelung trifft.
- Es besteht kein Vertrauensschutz hinsichtlich der Geltendmachung von USt-Forderungen gegenüber einer als Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 UStG tätigen GmbH, die zuvor unzutreffend als nicht selbständiges Organ angesehen worden war.
Normenkette
UStG § 2; AO § 176
Streitjahr(e)
2009
Nachgehend
Tatbestand
Durch Beschluss des Amtsgerichts O. vom 29. Juni 2009 wurde über das Vermögen der WK. GmbH (GmbH) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die GmbH war mit der Herstellung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen unternehmerisch tätig. Die dafür genutzten Grundstücke, Gebäude, Maschinen und Einrichtungsgegenstände waren der GmbH seit 1949 durch laufend modifizierte Pachtverträge von einer WK. GmbH und Co. KG (KG) entgeltlich überlassen worden.
In der Zeit vor 2009 wurde im Einvernehmen der beteiligten Gesellschaften und des Beklagten angenommen, dass eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestehe, bei der die KG als Organträger der Steuerschuldner sei und demzufolge die GmbH nicht als Unternehmer anzusehen sei.
Erstmals mit Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für März 2009 im Mai 2009 nahm die KG an, dass ein Organschaftsverhältnis nicht mehr bestehe, mangels Wegfall der organisatorischen Eingliederung der GmbH. Der Kläger selbst reichte beim Beklagten am 11. Mai 2009 Umsatzsteuervoranmeldungen für die Zeiträume März und April 2009 ein, aus denen sich Steuerzahllasten von X1 € für März 2009 und X2 € für April 2009 ergaben. Zeitlich nachfolgend reichte der Kläger die Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 2009 ein, aus der sich eine Zahllast von X3 € ergab. Danach berichtigte der Kläger eine zuvor für Juni 2009 abgegebene Voranmeldung am 24. September 2009 mit einer Zahllast von X4 €.
Der Beklagte meldete Umsatzsteuerforderungen, die das Jahr 2009 betreffen, zur Insolvenztabelle an. Neben den genannten Forderungsbeträgen für die Monate März bis Juni 2009 ermittelte der Beklagte im Wege der Schätzung, jedoch auf Grundlage von Besteuerungsgrundlagen, die der Kläger dem Beklagten mitgeteilt hatte, zusätzlich eine unter laufender Nummer 25 als Umsatzsteuer 2009 bezeichnete Abgabe i.H.v. X5 €. Dies ist im Ergebnis der Betrag, der sich als Zahllast für die Monate Januar und Februar 2009 ergibt.
Nach Widerspruch durch den Kläger erließ der Beklagte unter Datum vom 28. Oktober 2013 einen entsprechenden Feststellungsbescheid. Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.
Der Kläger macht geltend, der Feststellungsbescheid verletze ihn in seinen Rechten, weil er sich mit Erfolg auf das Vertrauen der Schuldnerin auf den Bestand auf die im maßgeblichen Zeitraum geltenden ständigen Rechtsprechungen des BFH zur umsatzsteuerlichen Organschaft und der darauf beruhenden Verwaltungsanweisungen berufen könne. Bis zum Ergehen des BFH-Urteils 5 R 9/09 vom 22. April 2010 sei allgemein davon ausgegangen worden, dass auch eine mittelbare finanzielle Eingliederung einer Gesellschaft in eine Personengesellschaft ausreiche, um eine Organschaft anzunehmen. Hierauf habe die Gemeinschuldnerin vertraut. Dieses Vertrauen sei schutzwürdig. Auch nach den Verwaltungsanweisungen wie in Abschnitt 21 Abs. 4 der Umsatzsteuerrichtlinien und in Abschnitt 2.8 Abs. 4 der UStAE hätte für die finanziellen Eingliederung eine mittelbare Eingliederung genügt. Vertrauensschutz lasse sich auch aus entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 176 Abgabenordnung (AO) herleiten. Schutzwürdig sei die Gemeinschuldnerin auch, weil sie nicht in das Verfahren zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen der KG hinzugezogen worden sei. Insbesondere sei der Vertrauensschutz der Gemeinschuldnerin allerdings daraus herleitbar, dass der Beklagte gegen die Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 16. März 2011 S 7105-94 St 171 verstoße. Die Oberfinanzdirektion habe hier zur Verwirklichung des Vertrauensschutzes eine Übergangsregelung erlassen, die der Beklagte nicht berücksichtigt habe.
Der Kläger beantragt,
den Feststellungsbescheid vom 28. Oktober 2013 und den dazugehörigen Einspruchsbescheid aufzuheben.
Der Beklagte hat die Bereitschaft erklärt, die Feststellung zur lfd. Nr. 25 = Umsatzsteuer 2009 auf X6 € herabzusetzen und die Feststellung zur lfd. Nr. 29 = Umsatzsteuer Juni 2009 auf X7 € herabzusetzen.
Er beantragt im Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Soweit sich Änderungen zum bisherigen Feststell...