Leitsatz (amtlich)
Gegen die Verweigerung von Einsicht in die Insolvenzakten innerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens steht dem Gläubiger das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.
Verfahrensgang
AG Tostedt (Beschluss vom 18.06.2003; Aktenzeichen 19 IN 134/02) |
Tenor
Die Vorlageverfügung des Amtsgerichts Tostedt vom 27. Oktober 2003 wird aufgehoben, das Verfahren wird zur Entscheidung über die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung der Gläubigerin vom 7. Juli 2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tostedt vom 18. Juni 2003 dem Landgericht Stade zur Entscheidung vorgelegt.
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin ist Gläubigerin in dem am 20. März 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. P.B.S. GmbH. Sie hat in diesem Verfahren eine Insolvenzforderung in Höhe von 1.286,44 EUR zur Insolvenztabelle angemeldet. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2003 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer beantragt, ihnen eine Kopie des Insolvenzantrags und eine Kopie des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Verfügung zu stellen. Diesen Antrag hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Tostedt am 18. Juni 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters unterliege nicht der Akteneinsicht gemäß § 299 ZPO i. V. m. § 4 InsO, eine Herausgabe sei im Hinblick auf das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung abzulehnen. Es handele sich lediglich um eine Grundlage für die interne Entscheidung des Insolvenzgerichts. Da die Mitwirkungspflicht des Schuldners nach der InsO gegenüber der Offenbarungspflicht gemäß § 807 ZPO wesentlich weiter gehe, durften die Informationen, die im Insolvenzverfahren erlangt würden, den „normal beteiligten Gläubigern” gegenüber nicht offen gelegt werden. Eine Beschränkung der Rechte der verfahrensbeteiligten Gläubiger auf Information bedeute keine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht. Alle Verfahrensbeteiligten hätten schließlich die Möglichkeit, sich verfahrensrelevante Informationen im Rahmen der Teilnahme an den Gläubigerversammlungen zu verschaffen.
Nachdem die Gläubigerin gegen diesen Beschluss für den Fall, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG nicht zulässig sei, Erinnerung eingelegt hat, hat die Richterin mit Beschluss vom 27. Oktober 2003 diese Erinnerung mit der Begründung zurückgewiesen, dass den am Verfahren beteiligten Insolvenzgläubigern gemäß § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 1 ZPO zwar grundsätzlich ein Recht auf Einsicht in die Insolvenzakten zustehe, die Ausführungen der Rechtspflegerin in dem zurückweisenden Beschluss aber zutreffend seien. Im Übrigen erstrecke sich dieser Anspruch aber auch nicht uneingeschränkt auf die Erteilung von Abschriften; grundsätzlich seien die Insolvenzakten vielmehr auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts einzusehen. Bei Gewährung von Akteneinsicht müsse außerdem zwischen den Interessen der Gläubigergesamtheit und dem Interesse einzelner Verfahrensbeteiligter abgewogen werden. Aufgrund der Ermittlungen des Insolvenzverwalters gelangten Informationen zu den Akten, die zunächst im Interesse der Gläubigergemeinschaft ausgewertet werden müssten. Werde den Insolvenzgläubigern uneingeschränkt Akteneinsicht gewährt, bestehe die Gefahr, dass sie sich einen Informationsvorsprung verschafften und die Geltendmachung von Ansprüchen erheblich erschweren oder vereiteln könnten. Diese Gefahr sei besonders bei der Gewährung von Akteneinsicht in Form der Erteilung von Kopien gegeben. Außerdem setze die Erteilung von Abschriften und Kopien aus der Insolvenzakte neben einer feststehenden Gläubigerstellung und einem rechtlichen Interesse voraus, dass dies unter Berücksichtigung des Geschäftsanfalls der Geschäftsstelle des Amtsgerichts zumutbar sei. Die Anfertigung von Kopien sei aber in Anbetracht der hohen Eingangszahlen und der naturgemäß zahlreichen Gläubiger nicht zumutbar. Es sei nicht entscheidend, dass die Antragstellerin als einzige Verfahrensbeteiligte die Erteilung von Abschriften beanspruche. Wenn dieses Recht einer Verfahrensbeteiligten eingeräumt werde, hätten auch die übrigen Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf. Dieser Arbeitsaufwand könne vom Insolvenzgericht nicht geleistet werden. Das Insolvenzgericht sei auch nicht verpflichtet, den Verzicht auf Akteneinsicht an Ort und Stelle dadurch auszugleichen, dass Abschriften, Auszüge oder Kopien gefertigt werden würden (so LG Magdeburg, Rpfleger 1996, 523).
Im Hinblick auf diesen Beschluss hat das AG die Sache mit Verfügung vom 27. Oktober 2003 zur Entscheidung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Die Vorlageverfügung des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Tostedt ist aufzuheben und die Sache auf Antrag der Beschwerdeführerin an das für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständige Landgericht Stade zu verweisen. Mit der Beschränkung des Anspruchs der Gläubigerin auf Akteneinsicht im laufenden Insolvenzverfahren liegt eine Entscheidung vor, di...