Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 61 InsO hat der Insolvenzverwalter dem Gläubiger den Vertrauensschaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er bei Begründung der Verbindlichkeit auf eine für den Insolvenzverwalter mögliche Erfüllung vertraut hat.
2. Für eine Haftung nach § 61 InsO ist dann kein Raum, wenn der Vertragspartner über dieselben tatsächlichen Kenntnisse wie der Insolvenzverwalter verfügt und seine Entscheidung zur Begründung einer Masseverbindlichkeit zu seinen Gunsten nicht auf einem besonderen Vertrauen in den Insolvenzverwalter beruht, sondern auf einer eigenverantwortlichen, in Kenntnis aller Tatsachen und Risiken getroffenen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und damit bei einem bewussten Handeln auf eigenes Risiko.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 15.10.2002; Aktenzeichen 11 O 104/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das am 15.10.2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Wuppertal - unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 1) - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Klägerin gegen die Masse eine Forderung von 393.694,75 Euro mit Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 10.3.2001 zusteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und der Beklagte zu 1) haben jeweils die Hälfte der Gerichtskosten zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten hat die Klägerin die des Beklagten zu 2) voll und der Beklagte zu 1) die der Klägerin zur Hälfte zu tragen, im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch Bürgschaft eines der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts geleistet werden.
Tatbestand
Die Klägerin, die D.B. AG, nimmt den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B.G. GmbH & Co. KG in W. auf Feststellung eines Masseanspruchs i.H.v. 770.000 DM mit Zinsen sowie persönlich auf Schadensersatz in gleicher Höhe in Anspruch.
Die Klägerin hatte der Schuldnerin als deren Hausbank Kreditmittel i.H.v. 12,6 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Zur Sicherheit waren ihr durch Globalzessionsvertrag die Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen sämtliche Schuldner abgetreten sowie das Warenlager und die Maschinen sicherungsübereignet worden.
Nachdem am 22.5.2000 durch den Betriebsrat der Schuldnerin Insolvenzantrag gestellt worden war, wurde der Beklagte am Folgetag zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt. Mit Beschluss vom 1.7.2000 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Am 17.8.2000 hat er dem Gericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Im Laufe des Berufungsverfahrens, unter dem 9.12.2003, hat er dem AG Wuppertal und den Massegläubigern die erneute Masseunzulänglichkeit angezeigt.
Mitglied des Gläubigerausschusses wurde u.a. der Mitarbeiter der Klägerin K., dem der Beklagte im Hinblick auf seine persönliche Inanspruchnahme den Streit verkündet hat.
Die Klägerin war damit einverstanden, dass der Beklagte zu 1) die ihr sicherungsübereigneten Waren aus dem Warenlager weiterverarbeitete und veräußerte, denn es bestand Einigkeit darüber, dass der Betrieb im Interesse der Arbeitnehmer und der Klägerin als Hauptgläubigerin nicht stillgelegt und zerschlagen, sondern von einem Dritten übernommen werden sollte.
Seit Mitte August 2000 wurden Gespräche mit verschiedenen Übernahmeinteressenten geführt, welche zunächst erfolglos verliefen, so dass der Gläubigerausschuss im September 2000 die Auslaufproduktion und eine Betriebsstillegung zum 31.3.2001 beschloss.
Ab Mitte Oktober 2000 fanden unter Beteiligung der Klägerin Verhandlungen mit der G. mbH über das von dieser unterbreitete Übernahmeangebot statt.
Unter dem 17.11.2000 veräußerte der Beklagte zu 1) die Maschinen, die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie die gesamten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbfertigprodukte und Fertigwaren zum 1.12.2000 für einen Kaufpreis von 2.950 TDM an die G. mbH. Vereinbart wurde u.a. weiter, dass diese in sämtliche Lieferverpflichtungen und Kundenbeziehungen eintreten und sämtliche bestehenden Arbeitsverhältnisse übernehmen sollte. Das Betriebsgrundstück wurde für weitere 2.735 TDM veräußert.
Anlässlich der Kaufvertragsverhandlungen an diesem Tage, an denen für die Klägerin ihre Mitarbeiter K. und W. und für den Beklagten zu 1) Rechtsanwalt S. teilnahmen, fand ein Gespräch zwischen diesen über die Erlösverteilung und eine Massekostendeckungszusage statt, dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist. Unstreitig lag allen Parteien an diesem Tage ein von dem Beklagten erstellter Vermögensstatus vor, der eine Unterd...