Leitsatz (amtlich)
Ein Durchsuchungsbeschluss ist rechtswidrig, wenn die in ihm genannten sicherzustellenden Unterlagen dem an das Zeugnisverweigerungsrecht des Verteidigers anknüpfenden Beschlagnahmeverbot unterliegen, weil sie - auch von Dritten - zu Verteidigungszwecken übergeben wurden.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.05.2005; Aktenzeichen 5-27 KLs 7570 Js 234136/00) |
Gründe
I.
Dem Angeschuldigten legt die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mit Anklage vom 29.3.2004 unter anderem einen Betrug in einem besonders schweren Fall sowie Urkundenfälschung in zwei Fällen zur Last. Da der Angeschuldigte in der Folgezeit unbekannten Aufenthalts war, erging am 18.5.2004 Haftbefehl des Landgerichts Frankfurt am Main. Am 17.8.2004 wurde der Angeschuldigte in Österreich festgenommen. Bei seiner Festnahme konnten mehrere in seinem Besitz befindliche Diplomatenpässe der Republik Liberia sowie mehrere Schreiben des Außenministeriums der Republik Liberia sichergestellt werden. Am 19.8.2004 erließ das Landgericht Frankfurt am Main daraufhin einen Internationalen Haftbefehl. Die Auslieferung des Angeschuldigten ist zwar bewilligt, im Hinblick auf das in Österreich gegen den Angeschuldigten laufende Strafverfahren jedoch aufgeschoben. Die Auslieferungshaft ist außer Vollzug gesetzt.
Im Rahmen des Haftverschonungsverfahrens hat der zum damaligen Zeitpunkt tätige Verteidiger Rechtsanwalt Y mit Schriftsatz vom 15.12.2004, gerichtet an das Landgericht Frankfurt am Main, vorgetragen, dass die beim Angeschuldigten sichergestellten Diplomatenpässe der Republik Liberia nicht gefälscht seien und hierbei auf eine anliegende Stellungnahme des Interpolbüros der liberianischen Polizei verwiesen. Tatsächlich befand sich die von Rechtsanwalt Y bezeichnete Stellungnahme nicht als Anlage bei seinem Schriftsatz vom 15.12.2004.
Mit Verfügung vom 14.3.2005 ersuchte die Vorsitzende der Strafkammer das Polizeipräsidium Frankfurt am Main um weitere Ermittlungen hinsichtlich der Echtheit der beim Angeschuldigten aufgefundenen Diplomatenpässe und Schreiben des Außenministeriums der Republik Liberia.
In der Folgezeit versuchten die Ermittlungsbehörden, die von RA Y in seinem Schreiben v. 15.12.2004 bezeichnete Stellungnahme des Interpolbüros der liberianischen Polizei zu erlangen. Rechtsanwalt Y, der mittlerweile sein Mandat niedergelegt hatte, zeigte sich jedoch nicht bereit, die Stellungnahme den Ermittlungsbehörden zur Verfügung zu stellen und verwies auf den jetzigen Verteidiger Rechtsanwalt X. Eine Anfrage der Staatsanwaltschaft bei Rechtsanwalt X bezüglich der Stellungnahme des Interpolbüros der Liberianischen Polizei verlief ebenfalls ergebnislos. Mit Telefax vom 6.4.2005 teilte RA X mit, dass nicht die Verteidigung, sondern KHK A mit den Ermittlungen beauftragt sei.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 28.4.2005 ordnete daraufhin das Landgericht Frankfurt am Main mit dem angefochtenen Beschluss vom 3.5.2005 (Bl. 1498 d. A.) die Durchsuchung der Kanzleiräume der Verteidiger Rechtsanwalt Y und Rechtsanwalt X sowie die Beschlagnahme der im Schriftsatz des Rechtsanwalts Y vom 15.12.2004 genannten Stellungnahme des Interpolbüros der liberianischen Polizei zur Echtheit der im Besitz des Angeschuldigten befindlichen Diplomatenpässe der Republik Liberia sowie der diesbezüglichen Originalschreiben des Aussenministeriums der Republik Liberia an.
Bei den am 19.5.2005 durchgeführten Durchsuchungen wurden in der Kanzlei von Rechtsanwalt X zwei Kopien aus seiner Handakte und im Büro von Rechtsanwalt Y drei Faxschreiben aus der Handakte beschlagnahmt.
II.
1.
Die von Rechtsanwalt X hinsichtlich der Durchsuchung seiner Kanzleiräume eingelegte Beschwerde, die sowohl die Durchsuchungs- als auch die Beschlagnahmeanordnung umfasst, ist zulässig, § 305 S. 2 StPO. Bezüglich der zwischenzeitlich durch Vollzug erledigten Durchsuchungsanordnung richtet sich die Beschwerde nunmehr auf Feststellung der Rechtswidrigkeit.
Die Beschwerde ist in vollem Umfang begründet.
Der angefochtene Durchsuchungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen einer Durchsuchung der Kanzleiräume des Verteidigers Rechtsanwalt X lagen nicht vor.
Hinsichtlich der Schreiben des Außenministeriums gab es schon keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Unterlagen im Besitz von Rechtsanwalt X befanden. Anders als im Fall der Durchsuchung beim Verdächtigen (§ 102 StPO) muss bei der Durchsuchung bei anderen Personen aufgrund bestimmter bewiesener Tatsachen - und nicht nur aufgrund von Vermutungen - die Annahme gerechtfertigt sein, dass die Durchsuchung zur Auffindung des bestimmten Beweismittels führen wird, § 103 StPO. Solche Tatsachen lagen bezüglich der Schreiben des Außenministeriums nicht vor. Der Schriftverkehr zwischen den Ermittlungsbehörden und Rechtsanwalt X betraf lediglich die von Rechtsanwalt Y in seiner Stellungnahme vom 15.12.2004 bezeichnete Stellungnahme des Interpolbüros der liberianischen Polizei. Allein die Tatsache, dass der B...