Leitsatz (amtlich)
Die Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist, kann auch durch die Übersendung der Akten an den bevollmächtigten Verteidiger zur Einsichtnahme für den Betroffenen stattfinden.
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 20. November 2000 wird aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lüdenscheid zurückverwiesen.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Landrats des Märkischen Kreises vom 27. Juni 2000 wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung, die der Betroffene am 26. März 2000 begangen haben soll, eine Geldbuße von 760 DM und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden. Hiergegen hat der Betroffene Einspruch eingelegt.
Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil das Verfahren gegen den Betroffenen wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die dem Betroffenen zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung könne nicht mehr verfolgt werden, weil bereits vor Erlass des am 30. Juni 2000 zugestellten Bußgeldbescheides am 25. Juni 2000 Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Eine die Verjährung unterbrechende Handlung sei nicht erfolgt. Die Unterbrechung der Verjährung sei insbesondere nicht durch die Versendung des "Anhörungsbogens" am 25. April 2000 eingetreten. Dieser "Anhörungsbogen" sei nämlich nicht geeignet gewesen, die Verjährungsunterbrechung herbeizuführen. Die Formulierungen in dem "Anhörungsbogen" hätten nicht ausreichend deutlich gemacht, dass die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung schon zu dem Zeitpunkt dem Betroffenen selbst als Fahrzeughalter zur Last gelegt werde. Der "Anhörungsbogen" habe vielmehr noch der Ermittlung des Fahrzeugführers zur Tatzeit gegolten.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist. Der Betroffene hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat auch in der Sache Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Aufhebungsantrag wie folgt begründet:
"Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wird die Verjährung unter anderem durch die Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist, oder durch die Anordnung dieser Bekanntgabe unterbrochen. Für eine derartige Bekanntgabe reichte zwar die Übersendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen als Fahrzeughalter nicht aus. Das Amtsgericht hat jedoch verkannt, dass die - verjährungsunterbrechende - Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist, auch durch die Übersendung der Akten an den bevollmächtigten Verteidiger zur Einsichtnahme für den Betroffenen stattfinden kann. Dies folgt aus der gemäß § 46 OWiG entsprechend anwendbaren Regelung des § 145 a Abs. 1 StPO, nach der der Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als bevollmächtigt gilt, Zustellungen und sonstige - auch formlose - Mitteilungen für den Betroffenen entgegen zu nehmen. Im Übrigen ist die Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens im Wege der Aktenübersendung an den Verteidiger nicht an eine bestimmte Form oder einen bestimmten Inhalt gebunden; es muss für den Betroffenen lediglich ersichtlich sein, dass und wegen welcher Handlung gegen ihn Ermittlungen geführt werden (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13. 07. 1988 - 2 Ss OWi 466/88 - m. w. N. ).
Diese Voraussetzungen aber sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Bußgeldbehörde hat unter dem 20. 06. 2000 (Bl. 11 d. A. ). - mithin vor dem Eintritt der Verfolgungsverjährung - die Übersendung der Akten an die Verteidiger des Betroffenen verfügt, nachdem diese mit Schreiben vom 10. 05. 2000 (Bl. 2 d. A. ) unter Überreichung einer Vollmacht des Betroffenen um die Gewährung von Akteneinsicht gebeten hatten. Zu diesem Zeitpunkt - d. h. , im Zeitpunkt der Abverfügung der Akten - waren Gegenstand des Bußgeldvorgangs bereits die aus Bl. 1 bis 10 d. A. ersichtlichen Vorgänge, die unter anderem die Ordnungswidrigkeiten-Anzeige vom 25. 04. 2000 (Bl. 1 d. A, ), die den Betroffenen darstellenden Lichtbilder (Bl. 6 d. A. ) und die am 18. 05. 2000 beim Verkehrsdienst Lüdenscheid eingegangene Mitteilung der Kreispolizeibehörde Lüdenscheid über die Identifizierung des Betroffenen als verantwortlichen Fahrzeugführer (Bl. 8 d. A. ) enthielten. Aus dem Akteninhalt war somit zweifelsfrei erkennbar, dass und wegen welcher Handlung gegen den Betroffenen ermittelt wird. Damit aber ist die Verjährung in der vorliegenden Sache durch die Anordnung vom 20. 06. 2000 und die Übersendung der Akten an die Verteidiger zur Einsichtnahme für den Betroffenen - vor dem Ablauf der Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 3 StVG - unterbrochen worden. Das Amtsgericht ist danach zu Unrecht von dem Eintritt des Verfolgungsverjährung ausgegangen.
Die ...