Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung. Finanzamt. Umsatzsteuer. Steuerzahlung. Lastschrift. Genehmigung. konkludent. Anfechtbarkeit der Einziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen. Feststellung der Genehmigung des späteren Insolvenzschuldners
Leitsatz (amtlich)
Erhebt der Schuldner im Geschäftsverkehr gegen die Einziehung eines (wiederkehrenden) Umsatzsteuervorauszahlungsbetrags innerhalb einer Überlegungsfrist von vierzehn Tagen – auch bei Teilnahme am Online-Banking – keine Einwendungen, kann die Zahlstelle davon ausgehen, dass die Lastschrift genehmigt ist. Die 14-tägige Frist ist nach der Entscheidung des BGH (IX. ZS), NZI 2012, 190, [BGH 01.12.2011 – IX ZR 58/11] als Leitlinie anzusehen. Das Urteil des BGH (XI. ZS), NZI 2012, 506, [BGH 03.04.2012 – XI ZR 39/11] steht dem nicht entgegen.
Normenkette
InsO § 143 Abs. 1, § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 178 Abs. 3; AO § 73
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 28. November 2012 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Das beklagte Land kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
A.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der T GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde nach dem Eigenantrag der Schuldnerin vom 19.12.2008, an diesem Tag bei Gericht eingegangen, am 01.02.2009 eröffnet.
Zwischen der Schuldnerin und ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer B bestand eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft, die Schuldnerin war Organgesellschaft und ihr Geschäftsführer Organträger.
Die Parteien streiten über die durch den Kläger verfolgte Insolvenzanfechtung eines vom beklagten Land am 12.09.2008 vorgenommenen Lastschrifteinzuges über eine Umsatzsteuerzahlung i.H.v. 58.771,69 EUR vom Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin.
Das Landgericht hat das beklagte Land in der Hauptsache zur Zahlung von 58.771,69 EUR aus §§ 143 Abs. 1 S. 1, 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO verurteilt. Das beklagte Land sei Gläubiger hinsichtlich der Haftungsforderung der Insolvenzschuldnerin gewesen. Es liege eine inkongruente Deckung vor; vor Erlass eines Haftungsbescheides sei die Zahlung nicht geschuldet gewesen. Die Leistung habe aus objektiver Warte des Empfängers die Tilgung einer gegen die Schuldnerin gerichteten Forderung bezweckt. Die Umsatzsteuerzahlung falle in den Zeitraum von 3 Monaten vor Stellung des Insolvenzantrages. Die Genehmigung der Buchung durch die Organgesellschaft sei nicht bereits zuvor konkludent erklärt worden. Der Lastschrifteinzug habe zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt. Ein Anfechtungsanspruch gegen den Organträger schließe es nicht aus, gegen das beklagte Land vorzugehen. Die erforderliche Zahlungsunfähigkeit habe zum Zeitpunkt der Handlung vorgelegen. Der Abrechnungsbescheid des beklagten Landes vom 11.05.2011 habe für die Kammer keine Bindungswirkung hinsichtlich des Nichtbestehens des Rückforderungsrechts.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen und der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der Entscheidungsgründe wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten form- und fristgerechten Berufung verfolgt das beklagte Land den in erster Instanz gestellten Klageabweisungsantrag weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft es das erstinstanzliche Vorbringen.
Das beklagte Land trägt mit näherer Begründung vor, entgegen der Ansicht des Landgerichts habe keine inkongruente Deckung vorgelegen, die Rechtshandlung habe außerhalb des Dreimonatszeitraums stattgefunden und die vom Kläger behauptete Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei hinreichend in 1. Instanz bestritten worden; im Einzelnen:
Eine inkongruente Deckung liege nicht vor, weil es, so meint das beklagte Land, die Leistung nicht früher als geschuldet erhalten habe; die Umsatzsteuerforderung gegen den Organträger sei fällig und die Organgesellschaft sei im Verhältnis zum Organträger auch verpflichtet gewesen, ihn aus dieser fälligen Verbindlichkeit freizustellen, weil die Umsatzsteuerlast bei der Organgese...