Leitsatz (amtlich)
Kein Recht von Angehörigen, aufgrund einer Vorsorgevollmacht Einsicht in Behandlungsunterlagen eines Verstorbenen zu nehmen, gegen dessen ausdrücklich erklärten oder mutmaßlichen Willen.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09.11.2018 (6 O 53/18) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das erstinstanzliche Urteil ist ohne Sicherheit vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Klägerin macht Ansprüche auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen betreffend ihre verstorbene Tochter geltend. Wegen der Feststellungen des Landgerichts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Mit Urteil vom 09.11.2018 hat das Landgericht Karlsruhe die Klage abgewiesen (I 175). Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, für einen Anspruch aus § 630g Abs. 1 fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation. Da dem Einsichtsrecht das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde liege, komme es weder auf die Erbenstellung noch den Inhalt der Vorsorgevollmacht an. Vielmehr seien die Rechte der Klägerin gesondert in § 630g Abs. 3 BGB geregelt. Das dort für die Klägerin als Erbin bzw. als nahe Angehörige vorgesehene Recht auf Einsichtnahme gelte jedoch nur unter der Einschränkung des § 630g Abs. 3 Satz 3 BGB, wonach es nicht gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Wollen des Verstorbenen geltend gemacht werden könne. Der Arzt habe seine Entscheidung gewissenhaft zu prüfen und - unter Wahrung der Geheimhaltungspflichten - nachvollziehbar darzulegen, dass sich seine Weigerung auf konkrete oder mutmaßliche Belange des Verstorbenen und nicht auf sachfremde Gesichtspunkte stütze. Sein Beurteilungsspielraum sei von den Gerichten dann aber nur eingeschränkt überprüfbar. Vorliegend habe der verstorbene Arzt Dr. Sch. eine ausdrückliche Erklärung abgegeben. Da neben dessen Schreiben aber kein Beweismittel vorliege, müsse subsidiär auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die ohne eine solche Erklärung gelten würden. Auch insofern enthalte das Schreiben aber ausreichend substantiierte Angaben in der Beschreibung, dass die verstorbene Patientin Inhalte als besonders sensibel und schützenswert gehalten habe - insbesondere betreffend die Beziehung zur Klägerin - und gerade die Klägerin davon keine Kenntnis erhalten solle. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Arzt Dr. Sch. gerade diese Inhalte am Telefon preisgegeben habe. Aus dem klägerseits behaupteten Näheverhältnis und dem Umstand, dass diese einigen Sitzungen selbst beigewohnt habe, ergebe sich nichts Anderes. Insbesondere sei gut vorstellbar, dass es der Verstorbenen gerade wegen des Näheverhältnisses darauf angekommen sei, einen engsten Bereich ihrer Gefühlswelt - dauerhaft - für sich zu behalten. Auch aus der Vorsorgevollmacht würden sich keine Indizien für ein Einverständnis in die Patientenakten ergeben. Dies folge bereits daraus, dass die Vollmacht am 28.09.2009 erteilt worden sei, die Psychotherapie aber erst am 09.09.2016 begonnen worden sei und sich aus der Vollmacht keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie auch für die Preisgabe intimster Details des Seelenlebens gegenüber einem Psychotherapeuten gelten solle. Jedenfalls müsste einem in der konkreten Behandlungssituation geäußerten Willen Vorrang gegenüber einer Jahre zuvor abgegebenen formularmäßigen Blanketterklärung eingeräumt werden. Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Wunsch der verstorbenen Patientin auf Verschwiegenheit mit ihrem Tod habe enden sollen. Insofern könne das Vertrauen, innerste Gedanken und Vorgänge zu schützen, überhaupt erst Grundlage dafür sein, dass sie mit dem Therapeuten erörtert worden seien. Für weitere Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil verwiesen.
Gegen diese ihr am 19.11.2018 zugestellte (I 197) Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 18.12.2018, eingegangen beim Oberlandesgericht am gleichen Tag (II 1), die sie innerhalb verlängerter Frist (II 23) mit am 19.02.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet hat (II 29). Sie meint insbesondere, aus der Vorsorgevollmacht ergebe sich der Wille ihrer Tochter, dass sie nach ihrem Tod volle Akteneinsicht in Patientenunterlagen erhalte. Dieser ausdrückliche Wille habe Vorrang gegenüber dem möglicherweise erklärten, von ihr auch bestrittenen Wunsch. Die notarielle Vorsorgevollmacht sei klar und deutlich formuliert und zu keinem Zeitpunkt widerrufen worden. Wenn jederzeit durch mündliche Erklärung von einer notariellen gegenseitigen Vollmacht abgewichen werden könnte, wären einem etwaigen Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Die Behandler könnten ohne Nachprüfungsmöglichkeit a...