Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz eines GmbH-Geschäftsführers bei verspäteter Insolvenzantragsstellung
Leitsatz (amtlich)
Der Geschäftsführer einer GmbH, der wegen verspäteter Insolvenzantragsstellung nach § 826 BGB auf Ersatz des an die Arbeitnehmer gezahlten Insolvenzausfallgelds in Anspruch genommen wird, kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass auch bei einem rechtzeitigen Insolvenzantrag Ausfallgeld gezahlt worden wäre, weil der vorläufige Insolvenzverwalter den dreimonatigen Ausfallgeldzeitraum voll ausgeschöpft hätte. Der damit geltend gemachte hypothetische Kausalverlauf ist unter Wertungsgesichtspunkten nicht geeignet, den Geschäftsführer zu entlasten.
Normenkette
BGB § 826; GmbHG § 64 Abs. 1; SGB III § 182
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 09.01.2006; Aktenzeichen 4 O 15/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier - Einzelrichter - vom 9.1.2006 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch bleibt dem Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der beizutreibenden Forderung abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten als ehemaligen GmbH-Geschäftsführer aus unerlaubter Handlung in Anspruch.
Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer der K. GmbH K. (im Folgenden: K. GmbH) mit Sitz in I. Unternehmensgegenstand war die Konstruktion, Produktion und der Vertrieb von Industriemaschinen und Anlagenbau. Im Jahr 1999 führte das Unternehmen für eine Firma B.F.B. GmbH (im Folgenden: B. GmbH) mit Sitz in R. einen größeren Auftrag durch; bei der Ausführung dieses Auftrages entstanden der vom Beklagten geführten Gesellschaft hohe Verluste. Am 21.6.2000 stellte der Beklagte beim AG Trier den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des AG - Insolvenzgerichts - Trier vom 1.8.2000 - 23 IN 36/00 - eröffnet.
Die Klägerin leistete für fünf Arbeitnehmer der Gesellschaft für einen Zeitraum von jeweils drei Monaten zwischen dem 1.4.2000 und dem 31.7.2000 Insolvenzausfallgeld i.H.v. insgesamt 41.744,68 DM (21.343,72 EUR).
Durch rechtskräftiges Urteil des AG Trier vom 15.5.2003 - 2050 JS 31177/00-4 Ds - wurde der Beklagte wegen Insolvenzverschleppung, Nichterstellung der Bilanz, Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen in 4 Fällen sowie Betruges in 10 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe den Insolvenzantrag zu spät gestellt und sie damit vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Das Unternehmen sei tatsächlich bereits am 30.6.1999 zahlungsunfähig gewesen. Der Beklagte habe den Insolvenzantrag hinausgezögert, um Bankdarlehen bedienen zu können, für die er persönlich haftete. Hierdurch seien nicht nur die Lieferanten, sondern auch sie geschädigt worden. Bei rechtzeitiger Antragstellung hätten die Lohnansprüche der Arbeitnehmer noch aus dem Vermögen der Gesellschaft befriedigt werden können.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 21.343,72 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2003 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, für ihn habe kein Anlass bestanden, vor dem 1.6.2000 einen Insolvenzantrag zu stellen. Sein Vertragspartner, die Firma B. GmbH, habe ihm im Jahr 1999 verbindlich zugesagt, den durch die Ausführung des Projekts entstandenen Verlust durch einen Anfang des Jahres 2000 zu erteilenden Folgeauftrag auszugleichen. Er solle dabei eine entsprechende Summe im neuen Auftrag, der ein Volumen von etwa 1 Mio. DM haben sollte, einkalkulieren. Erst im April 2000 sei ihm sodann die Auskunft erteilt worden, dass die in England ansässige Konzernleitung die Erteilung dieses Auftrages erst genehmigen müsse, was zeitlich nicht absehbar gewesen sei. Erst nach der anschließenden Kündigung der Darlehen durch die Hausbank seines Unternehmens sei ein Liquiditätsengpass entstanden, der schließlich zur Insolvenzreife geführt habe. Im Übrigen hat er die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Schadenersatzanspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zustehe. Das vom Beklagten geführte Unternehmen sei spätestens zum 30.11.1999 zahlungsunfähig gewesen. Der Beklagte habe auf eine positive Fortbestehungsprognose nicht vertrauen können, da ihm allenfalls eine mündliche Zusage eines nicht entscheidungsbefugten Mitarbeiters der Firma B. GmbH vorgelegen habe, wobei der Sachvortrag zum Umfang des Folgeauftrages nicht ausreiche. Die Liquiditätskrise spätestens Ende November ...