Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Kongruenz beim Offenhalten einer Kontokorrentkreditlinie als Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO. Reichweite der Unanfechtbarkeit des Offenhaltens einer Kontokorrentkreditlinie
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Offenhalten einer Kontokorrentkreditlinie ist in dem Umfang als kongruent und als Bargeschäft i.S. von § 142 InsO anzusehen, als es nicht zu einer Reduzierung des Kontokorrentkredits geführt hat.
2. Die Unanfechtbarkeit des Offenhaltens der Kreditlinie gilt allerdings nur insoweit, als mit der erneuten Inanspruchnahme der Kreditlinie Verbindlichkeiten gegenüber Fremdgläubigern erfüllt werden. Die Einstellung eigener Forderungen der Bank ist hingegen nicht als Bargeschäft unanfechtbar.
Normenkette
InsO §§ 131, 133, 142
Verfahrensgang
LG Hechingen (Urteil vom 30.06.2011; Aktenzeichen 2 O 366/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hechingen vom 30. Juni 2011 wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil des Landgerichts und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Summe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Berufung: bis 140.000,– EUR.
Tatbestand
Die klagende Bank verlangt von dem beklagten Insolvenzverwalter die Restzahlung aus einer Sicherheitenverwertung. Der Insolvenzverwalter rechnet mit Ansprüchen im Zusammenhang mit Lastschriftabbuchungen sowie dem Offenhalten einer Kontokorrentkreditlinie auf.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die von der Klägerin geltend gemachte Restforderung in Höhe von 31.084,99 EUR sei unstreitig. Der Widerspruch des Beklagten vom 29.12.2009 gegen die von der Klägerin ausgeführten Lastschriften seien nur bezüglich Lastschriften in Höhe von 1.013,17 EUR wirksam. Bezüglich der weiteren Lastschriften im Zeitraum vom 01.10.2009 bis 11.12.2009 liege eine konkludente Genehmigung vor. Zwar sei die sechswöchige Widerspruchsfrist nach Nr. 7 Abs. 3 AGB der Sparkassen nicht für die Rechnungsabschlüsse Oktober bis Dezember 2009 abgelaufen. Die Umstellung des Girokontos von quartalsweisen Rechnungsabschlüssen auf monatliche Rechnungsabschlüsse sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirksam gewesen, da die zweimonatige Widerspruchsfrist gegen die Änderung der allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht eingehalten war. Es liege jedoch eine konkludente Genehmigung der meisten Lastschriften vor. Nach der Aussage eines Mitarbeiters der Klägerin habe der Gemeinschuldner in dem fraglichen Zeitraum immer für ausreichende Deckung auf dem Girokonto gesorgt, so dass eingereichte Lastschriften eingelöst werden konnten. Der Gemeinschuldner habe wiederholt die Anweisung erteilt, Lastschriften wegen Widerspruchs zurückzugeben. Zudem handele es sich mit zwei Ausnahmen um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen oder laufenden Geschäftsbeziehungen. Unter diesen Umständen sei eine Überlegungsfrist von einer Woche angemessen, weshalb die bis zum 11.12.2009 ausgeführten Lastschriften als konkludent genehmigt gelten.
Dem Beklagten stünden jedoch aufgrund einer Insolvenzanfechtung Rückgewähransprüche in Höhe von 6.208,09 EUR zu. Die Klägerin habe seit August 2009 gewusst, dass der Gemeinschuldner zahlungsunfähig war. Sie habe in der Krise die Kreditlinie in Höhe von 20.000 EUR offen gehalten. Im Zeitraum von 3 Monaten vor Beantragung der Insolvenzeröffnung sei der Saldo um 703,24 EUR zurückgeführt worden. Weiter wurden in dieser Zeit durch Abbuchungen von dem Girokonto Darlehensrückzahlungsansprüche der Klägerin in Höhe von 5.504,85 EUR getilgt. Der Beklagte habe nicht bewiesen, dass eine höhere Rückführung der Darlehensverbindlichkeiten über Abbuchungen vom Girokonto erfolgt sei.
Ohne Erfolg greife der Beklagte die Verrechnung von Zahlungseingängen mit den Verfügungen des Gemeinschuldners während der 3 Monate vor Antragstellung an. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, Überweisungsaufträge des Kunden zu Lasten des Kontos auszuführen, solange sich diese im Rahmen der Kreditlinie bewegen. Die erhaltene Deckung sei daher kongruent gewesen und würde zudem, sollte der Tatbestand des §§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO greifen, ein Bargeschäft darstellen. Dieses sei nicht anfechtbar, da der Beklagte weder schlüssig vorgetragen noch Beweis dafür erbracht habe, dass der Gemeinschuldner in Gläubigerbenachteiligungsabsicht i.S.v. § 133 InsO gehandelt habe.
Gegen das ihm am 06.07.2011 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Beklagte am 03.08.2011 Berufung eingelegt und diese innerhal...