Rz. 16

Liegen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der haftungsbegründenden Vorschrift nach § 11 GrStG vor, kann die Gemeinde als Steuergläubiger gegenüber dem persönlich Haftenden die Haftungsschuld mit Haftungsbescheid nach § 191 AO festsetzen und ggf. durch Zahlungsaufforderung nach § 219 AO einfordern. Die Vorschriften zur Durchführung des Haftungsverfahrens in § 191 AO und zur Zahlungsaufforderung bei Haftungsbescheiden in § 219 AO sind für die grundsteuerrechtlichen Haftungstatbestände nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 und 5 AO anwendbar.

Nach §§ 193 Abs. 3 S. 4, 218 Abs. 1 AO können Haftungsbescheide wie Steuerbescheide Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sein. Der Haftungsbescheid setzt somit zwar die Existenz, nicht aber die vorherige Festsetzung des Primäranspruchs, also der Erstschuld gegenüber dem Steuerschuldner, voraus.[1] Der Haftungsbescheid ist ein Verwaltungsakt i. S. d. §§ 118 ff. AO. Auf den Erlass eines Haftungsbescheids sind gem. § 191 Abs. 3 AO die Vorschriften der Festsetzungsverjährung i. S. d. §§ 169 bis 171 AO entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kj., in dem der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft, und beträgt grundsätzlich vier Jahre. Für die Korrektur von Haftungsbescheiden gelten nicht die für Steuerfestsetzungen maßgebenden Korrekturvorschriften i. S. d. §§ 172 ff. AO, sondern die allgemeinen Vorschriften über die Berechtigung, die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten (§§ 129-131 AO)[2].

Ein Haftungsbescheid kann wegen der Akzessorietät der Haftungsschuld zur Steuerschuld gem. § 191 Abs. 5 S. 1 AO grundsätzlich nicht mehr ergehen, wenn der zugrunde liegende Steueranspruch (Primäranspruch) wegen Festsetzungsverjährung (§§ 169-171 AO) gegenüber dem Steuerschuldner nicht mehr festgesetzt werden kann oder wenn die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer durch Erlass (§ 227 AO) oder Zahlungsverjährung (§§ 228-232 AO) erloschen ist.[3] Erlischt der Primäranspruch durch erbrachte Leistungen (Zahlung i. S. d. §§ 224, 225 AO oder Aufrechnung i. S. d. § 226), so sind diese bei Erlass des Haftungsbescheids zu berücksichtigen. Leistungen auf den Primäranspruch nach der Bekanntgabe des Haftungsbescheids begründen nur einen Anspruch auf Widerruf des Haftungsbescheids, der unter Berücksichtigung der erbrachten Leistungen geändert werden muss. Ggf. ist der Haftungsbescheid im Einspruchsverfahren aufzuheben oder zu ändern.

Die Gemeinde muss nicht alle Vollstreckungsmöglichkeiten gegenüber dem Steuerschuldner ausschöpfen, bevor sie den Grundstückserwerber als Haftungsschuldner in Anspruch nimmt. Der Erwerber stellt keinen Ersatzschuldner zum Steuerschuldner dar, sondern steht von Gesetzes wegen als Gesamtschuldner neben diesem auf derselben Stufe (Rz. 13). Die Gemeinde ist auch nicht verpflichtet, den Erwerber eines Grundstücks von Amts wegen über Grundsteuerrückstände des Voreigentümers oder über vergebliche Beitreibungsversuche gegen den Voreigentümer zu unterrichten.[4]

Die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde.

Im Rahmen der Begründung des Entschließungsermessens müssen die angestellten Erwägungen – die Abwägung des Für und Wider – für die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners umfassend dargelegt werden.[5] Insbesondere muss begründet werden, warum der Haftungsschuldner anstatt des Steuerschuldners in Anspruch genommen werden soll.[6] Ausreichend ist dabei, dass die Gemeinde zu der Annahme gelangt ist, dass eine Vollstreckung beim Erstschuldner ohne Erfolg sein wird (negative Prognose über die Erfolgsaussichten). Eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Erfolglosigkeit von Vollstreckungsversuchen muss insoweit nicht vorliegen.[7]

Kommen mehrere Haftungsschuldner in Betracht hat die Gemeinde ihr Auswahlermessen zu begründen, warum es ermessensgerecht ist, trotz anderer ebenfalls für die Haftung in Betracht kommender Personen gerade diesen oder diese Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen.[8] Diese Ermessensbegründung ist auch deshalb unverzichtbar, damit sich der Haftungsschuldner gegen seine Heranziehung umfassend zur Wehr setzen kann.[9]

Vor Erlass eines Haftungsbescheides ist dem Haftungsschuldner regelmäßig Gelegenheit zu geben, zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen Stellung zu nehmen (Gewährung rechtlichen Gehörs i. S. d. § 91 Abs. 1 S. 1 AO). Hierzu ist dem Haftungsschuldner in der Regel ein Schreiben zu übersenden, mit dem ihm die beabsichtigte Heranziehung zur Haftung unter Nennung der maßgebenden Haftungsnormen und der Darstellung der Rückstände des Steuerschuldners angekündigt wird (Haftungsankündigung). Der Haftungsbescheid erfasst auch steuerliche Nebenleistungen, wie u. a. Säumniszuschläge.[10]

Der Haftungsbescheid ist gem. § 191 Abs. 1 S. 3 AO schriftlich zu erteilen. Er muss gem. § 119 Abs. 1 AO hinreichend bestimmt sein, insbesondere ist er gem. § 121 Abs. 1 AO mit einer Begründung versehen.

 
H...

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