Entscheidungsstichwort (Thema)

Bank als Leistungsempfängerin i. S. d. § 37 Abs. 2 AO bei Fehlüberweisung des Finanzamts auf ein bereits gekündigtes Girokonto des Steuerpflichtigen und Verrechnung des Überweisungsbetrags mit eigenen Forderungen der Bank gegen den Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Kreditinstitut den Girokontovertrag mit dem Steuerpflichtigen gekündigt, das einen Sollstand ausweisende Konto aber intern noch nicht abgewickelt, sondern weitergeführt, und hat das FA eine Steuererstattung entgegen der Weisung des Steuerpflichtigen nicht auf dessen neue Bankverbindung, sondern auf das alte, seitens des Kreditinstituts bereits gekündigte Girokonto überwiesen, so hat das Kreditinstitut nicht lediglich als Zahlstelle fungiert und ist selbst als Leistungsempfängerin i. S. d. § 37 Abs. 2 AO zur Rückzahlung verpflichtet, wenn es die Zahlung des FA mit dem Sollstand des gekündigten Kontos und damit im eigenen Interesse mit ihren eigenen Forderungen gegen den Steuerpflichtigen verrechnet hat.

2. Wegen der Wesensverschiedenheit von Ansprüchen nach § 812 BGB und § 37 Abs. 2 AO ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Kreditinstitut Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 AO einer Fehlüberweisung sein kann. Das zur Bestimmung des Leistungsempfängers maßgebliche Kriterium ist der Umstand, ob die Bank zur Gutschrift der Überweisung verpflichtet oder hierzu lediglich berechtigt ist. Entscheidet sich das Kreditinstitut bei Eingang einer Überweisung nach Kündigung des Girovertrags für die Gutschrift auf dem früheren Konto und leitet es den gutgeschriebenen Betrag an den früheren Kontoinhaber weiter, handelt es auch in diesem Fall als eine Zahlstelle (Anschluss an FG Münster v. 4.4.2008, 11 K 801/07 AO).

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2; BGB § 812

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.12.2011; Aktenzeichen VII R 23/11)

BFH (Urteil vom 01.12.2011; Aktenzeichen VII R 23/11)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Erstattungsbescheides, den der Beklagte damit begründet hat, dass er an die Klägerin einen Geldbetrag ohne rechtlichen Grund gezahlt habe.

Die Klägerin, eine Bank, wendet sich gegen den Bescheid vom 5.2.2007 (Bl. 10 der Rechtsbehelfsakte) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.11.2007 (Bl. 107 der Rechtsbehelfsakte).

Mit Mitteilung vom 11.12.2003 (Bl. 16 der Umsatzsteuerakten 2001) stimmte der Beklagte gegenüber der Grundstücksgemeinschaft A. S. S. C. St. V. GbR, A. S. in St. – Steuerpflichtige – der Umsatzsteuererklärung vom 7.11.2003 zu. Die Umsatzsteuerfestsetzung führte zu einem Guthaben der Steuerpflichtigen i.H.v. 12.498,36 EUR. Der Beklagte kündigte im Bescheid an, er werde das Guthaben auf das Konto 395064207 bei der Klägerin erstatten.

Mit Schreiben vom 15.4.2003 (Bl. 6 der Rechtsbehelfsakte) hatte die Klägerin gegenüber der Steuerpflichtigen die Geschäftsverbindung, darunter auch das Konto 395064207, das sich zu diesem Zeitpunkt mit einem Betrag von 220.162,81 EUR im Soll befand, mit sofortiger Wirkung gekündigt. Das Konto hat sie intern weiterhin unter der gleichen Bezeichnung für die Steuerpflichtige geführt.

Die Steuerpflichtige war bereits im Jahr 2001 in eine OHG und im Jahr 2002 in eine GmbH umgewandelt worden. Mit Schreiben vom 24.9.2002 (Bl. 77 der Rechtsbehelfsakten) hatte die Steuerpflichtige dem Beklagten unter der Steuernummer der GmbH eine neue Bankverbindung mitgeteilt. Gleichwohl erfolgte am 11.12.2003 die Erstattung des Betrages an das bei der Klägerin geführte Konto. Die Klägerin hat den Betrag am 15.12.2003 mit dem bestehenden Sollsaldo verrechnet. Der dort vorhandene Saldo i.H.v. 561.928,27 EUR minderte sich damit auf 549.429,91 EUR.

Der Beklagte gab bei der Zahlung folgenden Verwendungszweck an:

A. S. S. C. FK St.

Steuererstattung 224/202/01536

Umsatzsteuer 2001

11.969,36 EUR

Zinsen

529,00 EUR

Mit Schreiben vom 18.12.2003 an die Klägerin (Bl. 53 der Umsatzsteuerakten) hat die Steuerpflichtige der Klägerin mitgeteilt, dass der erhaltene Betrag auf einer fehlerhaften Umsatzsteuerveranlagung beruhe und an den Beklagten zu überweisen sei. Eine entsprechende Rücküberweisung führte die Klägerin nicht durch.

Die Klägerin trägt vor, es sei unter keinen Umständen ein Erstattungsanspruch gegenüber ihr denkbar. Sie habe lediglich als Zahlstelle fungiert. Ein Zufluss einer Zahlung sei bei ihr zu keinem Zeitpunkt eingetreten. Sie verweist auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2005 XI ZR 265/04 und vom 5.12.2006 XI ZR 21/06. Sie habe ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Steuerschuldnerin erfüllt. Wenn und soweit zwischen dem Beklagten und der Steuerschuldnerin Differenzen aufgrund der fehlerhaften Kontoverbindung aufgetreten seien, könne dies nicht auf dem Rücken der Zahlstelle ausgetragen werden.

Die Zahlung sei auf einem Konto der im Verwendungszweck benannten Gesellschaft verbucht worden. Entsprechend den bankrechtlichen Bestimmungen habe sie e...

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